Von langen Wegen und heiligen Orten

Abstecher nach Mashhad entlang alter Krawanenstraßen

Mashhad? Noch nie gehört? Ist mit ca. 2,5 Mio Einwohnern die zweitgrößte Stadt Irans und liegt rund 900 Kilometer östlich von Teheran kurz vor der Grenze nach Turkmenistan. Mashhad stand auf meiner ursprünglichen Wunschliste der Orte, die ich besuchen wollte ganz weit oben und ich wollte ihn durch die Wüste von Süden kommend erreichen. Die Wüste hatte ich wegen der Hitze im September gestrichen und damit auch Mashhad. Jetzt bin ich in Damghan und habe noch Zeit übrig. Die Idee, von Damghan eine Runde durch die Große Kavir in Richtung Teheran zu drehen, habe ich ganz kurzfristig wieder verworfen, weil ich in meiner Karte einen Hinweis entdeckt habe, dass diese Strecke zeitweise zu militärischen Zwecken gesperrt wird. Das fehlt mir noch, irgendwo im Nichts in der Sackgasse zu stecken. Also doch noch Mashhad - 500km geradeaus. Links immer die Ausläufer des Elbursgebirges, rechts dehnt sich scheinbar endlos, überwiegend topfeben die Wüste.
Die Strecke folgt ganz alten Handelrouten und so komme ich in regelmäßigen Abständen durch Städte, die zu den ältesten Irans zählen. Nachdem ich Shahrud verlassen hatte - von dort hatte ich die Geschichte mit dem Ei berichtet - kommt erst aber einmal sehr lang nichts. Gegen Abend stellt sich wie immer die Frage nach der Unterkunft. Eigentlich kein Problem mein Zelt in der Wüste aufzuschlagen. Die letzten Tage hingen aber schon die ganze Zeit dunkle Regenwolken am Himmel und für weite Teile Irans waren auch schwere Regenfälle angesagt. Grundsätzlich habe ich kein Sorge, auch bei Regen im Zelt zu übernachten - ganz im Gegenteil, ist eigentlich meistens ganz schön (bis auf das nasse Zelt am nächsten Morgen). Aber starke Regenfälle haben hier offenbar eine andere Qualität. Tief ausgewaschene Wasserläufe und der Aufwand, mit dem hier das Wasser entlang der Straße kanalisiert wird, sprechen eine eindeutige Sprache. Ganz schnell stehen hier ganze Landstriche unter Wasser und wo vorher nichts war, entstehen reißende Flüsse. Muss ja nicht sein. Deswegen will ich versuchen, beim Roten Halbmond ein Quartier zu bekommen. Gleich nebenan liegt aber eine große, alte Karawanserei, eine dieser ehemaligen Wüstenherbergen die in Abständen einer Tagesetappe der Karawanen überall im Land zu finden sind, die aufwändig renoviert und wieder als Hotel genutzt wird. Ich treffe in der Dämmerung ein und die Anlage strahlt bei künstlicher Beleuchtung ein sehr schönes Ambiente aus. Ein Zimmer kann ich haben. Es wundert mich allerdings, dass ich zu einem ziemlich unverschämten Preis die Kammer eines Mitarbeiters bekommen soll. Dusche? Fehlanzeige. Toilette? Ja, ca. 100m über den Hof. Abendessen? Ja, aber bitte sofort, nicht erst das Zimmer beziehen. Ungewöhnlich, hier isst niemand um 17.30h sein Abendessen. Mangels Alternative um diese Zeit willige ich ein und bekomme ein tradionelle Gericht im heißen Steintopf (ohne Huhn, ohne Reis). Dann bringe ich meine Sachen in die Kammer. Ich verzichte auf das benutzte Bett des alten Mannes und rolle Isomatte und Schlafsack auf dem Fußboden aus. Jetzt will ich aber noch mit Kamera und Stativ durch die Anlage streifen und ein paar Aufnahmen machen. Zu spät. Das Licht ist aus, die wenigen Menschen sind verschwunden und die schweren, alten Tore sind geschlossen und verriegelt. Es scheint, als wäre ich hier ganz allein zurückgeblieben. Auch gut. Jedenfalls habe ich meine Ruhe und am nächsten Morgen bekomme ich vor meiner Abfahrt auch noch ein dürftiges Frühstück - Frühstück ist hier immer dürftig!

Der Zugang zum ältesten Teil der aufwändig und sehr stilvoll renovierten Karawanserei Miyandasht

Die schweren, alten Tore zeugen davon, dass eine Karawanserei in früheren Tagen nicht nur Unterkunft und Wasser bot, sondern gleichzeitig Schutz vor räuberischen Nomadenstämmen

Um 18.00 Uhr sind die Tore verriegelt und ich bleibe allein in der Karawanserei zurück

Nicht alle Karawansereien an der Strecke sind in einem so guten Zustand wie meine Herberge. Einige sind dem Verfall preisgegeben

An dieser Stelle muss ich noch einen Fehler richtig stellen. Die Anlage in Qasvin, die mich so faszinierte und die ich für einen Basar gehalten hatte, ist auch eine Karawanserei und dazu eine der schönsten im ganzen Land.
 
Am nächsten Morgen breche ich rechtzeitig auf, um dem im Laufe des Tages aufkommenden Nordostwind ein Stück zuvor zu kommen. Wüste. Und dazu passend am Straßenrand immer wieder diese Warnzeichen...

Ja, ja, das ist wie mit den Elchen in Schweden. Wer hat da schon mal einen Elch auf der Straße gesehen. Ich hoffe nur, dass nicht ich gemeint bin...

Nächstes Bild auf der Kamera (tatsächlich!) - hunderte Kamele haben gerade die Straße überquert und ziehen weiter in die Wüste. Eine Situation, die auch zahlreiche Einheimische anhalten und und zur Kamera greifen lässt

Kameltreiber sind aber auch nicht mehr das, was sie mal waren...

Vier lange Tage habe ich für die 500km von Damghan nach Mashhad einkalkuliert und liege nach drei Tagen auch ganz gut im Plan. Am letzten Tag der Strecke liegen noch mal ca. 125 km vor mir. Neyshabur hatte ich am Abend vorher bei 7 Grad erreicht und hatte wieder einmal Glück, trocken geblieben zu sein. In der Stadt selbst standen überall schmutzige Pfützen auf den Straßen. Die Wettervorhersage war insofern günstig, dass ich auch in Mashhad trocken ankommen sollte, allerdings sollten die Temperaturen weiter fallen.
Morgens starte ich bei eisigen +3 Grad und bedecktem Himmel. Warm eingepackt kein Problem, zumal es noch windstill ist. Das Thermometer steigt auf kuschelige 8 Grad. Aber dann kommt der Wind! Eiskalt und immer weiter auffrischend schräg von vorn. Irgendwann gegen Mittag, die halbe Strecke nach Mashhad liegt noch vor mir, zeigt das Thermometer noch +1 Grad an und der Wind ist so stark geworden, dass ich mich kaum noch auf dem Rad halten kann. Schluss. Die letzte lange Etappe der Reise bringe ich nicht auf eigenem Reifen zu Ende. Ich stelle mich an den Straßenrand und versuche einen der Überlandbusse anzuhalten. Beim dritten habe ich Glück. Fahrrad und Gepäck verschwinden im Stauraum und im Bus bekomme ich erst einmal einen heißen Tee und fahre die letzten 60 km nach Mashhad sehr komfortabel für 100.000 Rial - ca. 2,50€. Geht so...
Kurz nachdem ich im Bus sitze, sind die Gräser und Sträucher am Straßenrand mit dickem Raureif überzogen - es wäre nicht besser geworden.

Mashhad

Zwei Tage habe ich mir für Mashhad gegeben und eine Unterkunft habe ich auch schon. In Damghan hatte ich in einer alten Moschee Masoud kennen gelernt. Masoud ist Architekt und Dozent an einer Privatuniversität bei Mashhad und erklärte mir viel Interessantes über Baustile und architektonische Besonderheiten der alten Gemäuer. Zufällig wohnten er und seine Freundin (nicht ganz legal in diesem Land) im selben Hotel wie ich und er machte mir das Angebot, bei ihm zu übernachten, falls ich nach Mashhad komme. Er selbst ist bei couchsurfing angemeldet und nimmt immer wieder mal ausländische Gäste bei sich auf. Wiederholt habe ich hier festgestellt, dass scheinbar ein regelrechter Wettbewerb herrscht, wer die meisten Gäste über couchsurfing beherbergt. Er bricht sogar eine Dienstreise nach Tabriz vorzeitig ab und fliegt zurück, um rechtzeitig wieder in Mashhad zu sein. Sehr herzlich werde ich empfangen und ziehe für die nächsten beiden Nächte bei ihm ein. Und ein Gastgeschenk habe ich auch dabei :-) Da ihr mich mit euren Verwendungsvorschlägen für das Ei ein bisschen habt hängen lassen, wechselt es unter großem Gelächter und einer vielfach erzählten Geschichte drumherum seinen Besitzer - nun hat er das Problem!

Masoud ist ein äußerst kreativer Mensch - ihm wird schon etwas einfallen, was er mit dem Ei machen kann :-)

Couchsurfing ist eine ziemlich anstrengende Geschichte. Nicht nur, dass man hier ohnehin wenig Privatsphäre hat, ist man seinem Gastgeber auch ein Stück ausgeliefert, was die Zeitplanung angeht. Gastgeber wollen alles für einen tun und haben garantiert auch irgendwelche Freunde, die etwas arrangieren können - funktioniert auch, ist aber meistens zeitaufwändiger und führt zum selben Ergebnis, als wenn man es selbst in die Hand genommen hätte.
Mashhad stand bei mir so weit oben auf der Prioritätenlisten, weil in der Stadt eines der größten Heiligtümer der islamischen Welt liegt und für die Schiiten allemal. Hier liegt Imam Reza begraben, der 8. Imam in der Geschichte. Nachdem mich Shiraz schon so beeindruckt hatte, wollte ich auch diesen heiligen Ort noch sehen - ansonsten hat die Großstadt auch nicht so viel zu bieten - hier dreht sich alles um den "Holy Shrine".
Masouds Pläne für den Tag nach meiner Ankunft sehen aber erst einmal anders aus. Abends waren wir noch sehr spät zu viert in einem Restaurant mit tradioneller Küche, sodass wir erst weit nach Mitternacht zur Ruhe kamen. Deswegen morgens erst einmal lange schlafen. Nach dem Frühstück muss Masoud in die Uni, die 40 km außerhalb der Stadt liegt, weil er noch eine Vorlesung hat. Er hält es für eine gute Idee, wenn ich mitkomme und seinen Studenten vorgeführt werde - irgendwie komme ich mir in diesem Land immer noch wie ein exotisches Wesen im Käfig vor. Danach holt uns ein Freund ab, und wir besuchen auf dem Rückweg in die Stadt die Begräbnisstätte des Dichters Ferdowsi, der hier hoch verehrt wird und dem man hier die Rettung der persischen Sprache vor dem Arabischen zuschreibt.

Ein monumentales Monument für einen Nationalhelden

In aufwändigen Reliefs werden Szenen aus Ferdowsis Dichtung dargestellt

Und natürlich der Poet persönlich auch

Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass Masoud so keine rechte Lust auf den heiligen Bezirk in der Innenstadt hat, und bis wir dort eintreffen, setzt auch schon die Dämmerung ein. Gleiche Prozedur wie in Shiraz: Sicherheitskontrolle, Guide für internationale Gäste, Taschen und Fotoapparat abgeben. Hier gibt es kein Entkommen. In Mashhad ist alles viel strenger und kompromissloser als in anderen Orten. Was ich allerdings nie verstehen werde, ist die Tatsache, dass mit Handys probelmlos fotografiert werden darf, eine richtige Kamera aber Teufelwerk ist, das des heiligen Ortes unwürdig ist. Dann erst einmal in die Räume für nicht-muslimische Gäste, eine Film über die Anlage ansehen, zwei Broschüren über die Anlage und ein Text von Khomeini (ins Deutsche übersetzt) über Aschura als Gastgeschenk entgegennehmen und dann unter strenger Aufsicht durch die Anlage, wobei keine Chance besteht, in die Moscheen oder gar bis zum Schrein vorzudringen.
Mashhad heißt übersetzt Pilgerstätte. Und von den Pilgern gibt es hier reichlich. 27 Millionen Menschen besuchen das Heiligtum jährlich und die Anlage fasst eine Million Gläubige gleichzeitig. Die Zahl 200.000 in Shiraz hatte mich schon schwer beeindruckt, die Größe hier übersteigt aber selbst wenn man dort gewesen ist und sie mit eigenen Augen gesehen hat, das Vorstellungsvermögen. Und es wird ständig weiter gebaut und erweitert. Unter anderem sind hier mehere Museen, eine islamische Universität für 4000 Studenten und die größte Bibliothek des mitteleren Ostens untergebracht und fallen kaum auf. Irgendwie bin ich mit dem Verlauf nicht so richtig zufrieden und beschließe, am nächsten Tag noch einmal allein zurückzukehren.
Die Nacht ist wieder sehr kurz, weil Masoud - neben hundert anderen Dingen die er gleichzeitig und zwischendurch erledigt - mir noch ca. 900 Titel seiner umfangreichen Sammlung iranischer Musik auf einen Stick kopiert - das soll erstmal reichen. Mit dem Rad fahre ich dann noch einmal zum heiligen Ort. Jetzt weiß ich ja, wie der Hase hier läuft. Ich gebe meine Sache wie vorgeschrieben ab und gehe dann durch die Sicherheitskontrolle für die Moslems und bin ruckzuck in der Anlage und kann mich dort ohne offiziellen Schatten frei bewegen. Nur in das Allerheiligste traue ich mich trotzdem nicht. Ich glaube, man hier ziemlich spaßbefreit, was solche Verstöße angeht und durch mein nicht angepasstes Verhalten falle ich sofort auf. Also nur ein paar Fotos mit dem Handy und die Eindrücke wirken lassen.

Bis hierhin darf die Kamera noch mit, dann kommt der verbotene Ort - eine Million Quadratmeter im Stadtzentrum. Und das Wachstum kennt keine Grenzen

Alles was hier golden aussieht, ist auch Gold. Nur einer von vielen Plätzen der Anlage, aber hier ist der Eingang zum Grabmal

Final destination Teheran

Die 900km nach Teheran kann ich definitiv in den wenigen Tagen, die mir hier noch bleiben, nicht mit dem Fahrrad fahren - und ich will es auch nicht. Allein der Gedanke, die 500km geradeaus nach Damghan noch einmal zu fahren, ist abschreckend genug - und der Rest bis Teheran ist auch nicht anders. Der Plan stand schon vorher, von hier mit dem Bus in die Haupstadt zu fahren. Eigentlich will Masoud bis nach Damghan mitkommen, weil er dort am nächsten Tag eine Gastvorlesung halten soll, aber da Zeitplanung und Organisation bei ihm nicht so richtig zusammengehen, sitze ich um 22.00 Uhr allein im Nachtbus nach Teheran. Erstmals auf meinen ganzen Reisen ist der Fahrradtransport teurer als mein Sitzplatz - 400.000 : 350.000 Rial. Insgesamt ca. 20 Euro sind für die 13stündige Busfahrt okay, allerdings werde ich das Gefühl nicht los, dass das Geld nicht in die Kasse der Busgesellschaft geflossen ist. Für mich habe ich eine differenzierte Rechnung, für das Fahrrad - bar am Bus bezahlt - nicht einmal eine einfach Quittung... Egal, die Situation ist alternativlos.
Gegen Mittag komme ich auf einem der riesigen Busterminals von Teheran an und muss jetzt nur noch lebend mein Hotel erreichen. Die 13-Millionen-Metropole ist die Hölle. Dass hier täglich ca. 20 Menschen an Atemwegserkrankungen sterben wundert nicht. Nach kurzer Zeit brennen die Augen vom Smog und der Verkehr ist Überlebenskampf in seiner ursprünglichsten Form - und dabei hatte ich schon sieben Wochen, um mich an die Gebräuche im Straßenverkehr zu gewöhnen. Hier gibt es sehr viele Museen und Paläste, von denen ich mir noch ein paar ansehen werde, nur das Stadtbild und die Enge bringen diese Stadt auf keinen Fall auf meine Favoritenliste. In drei Tagen fliege ich wieder nach Hause. Kurze Impressionen aus Teheran und ein kleines Fazit meiner Reise werde ich dann noch einmal nachreichen.

Ich habe Teheran und damit den Endpunkt meiner Reise erreicht - da darf natürlich ein Bild vor dem Azadi-Tower nicht fehlen. Dieses Bild dürfte es eigentlich nicht geben. Fahrrad auf dem Platz: verboten. Kamera auf Stativ: Verboten. Deswegen auch nur die Seitenansicht des Wahrzeichens der Stadt. Außerdem wird unter dem Bogen gerade gebaut - wie überall

Es ist jetzt zu spät, aber ich habe doch noch eine Anregung bekommen, was man mit einem Straußenei machen kann: In die Schale eine aufwändige Szenerie als umlaufendes Relief gravieren, das ganze in Gold einfassen und in eine Wasserpfeife integrieren. So ein Ei steht hier jedenfalls im Nationalen Juwelenmuseum im Keller der Iranischen Zentralbank (direkt gegenüber der deutschen Botschaft). Öffnungszeiten: An vier Tagen in der Woche jeweils zwei Stunden am Nachmittag. Dementsprechend groß ist der Andrang von Besuchergruppen und der Lärmpegel in dem recht kleinen Raum, dessen Vitrinen prall mit Gold und Juwelen gefüllt sind, ist unerträglich hoch. Vom Pfauenthron bis hin zu riesigen und seltenen Solitärdiamaten ist hier alles ausgestellt, was die früheren Herrscher zusammengetragen haben. Ich vermute, der Wert der grausig hässlichen Exponate übersteigt locker die Milliardengrenze - unvorstellbare Glitzermassen. Hier wie an vielen anderen Orten herrscht Fotografierverbot und hier müssen auch die Handys abgegeben werden.
Ein paar andere Museen und Paläste habe ich mir in den zurückliegenden Tagen hier in Teheran noch angesehen. Das Land ist so unglaublich reich an Kultur und Geschichte und die werden so unglaublich schlecht präsentiert, dass man sehr schnell müde wird, sich endlose Reihen von Vitrinen mit den Exponaten anzusehen. Allein im Nationalmuseum kommt man sich vor wie in einer Töpfereiausstellung - hunderte Vasen und Gefäße aus mehreren Jahrtausenden ordentlich aufgereiht und exakt mit Inventarnummer beschriftet - man muss schon sehr, sehr viel Interesse mitbringen, um sich darin zu vertiefen.

Ein Prunksaal im Golestanpalast - Fotografierverbot. Ich liebe den Quiet-Modus und den schenkbaren Monior meiner Kamera :-)

Museumsdidaktik wie von 40 Jahren - das hier ist noch ein ansprechender Teil der Präsentation im Nationalmuseum

Nicht auslassen kann ich natürlich die Palastanlage der Schah-Familie im Norden der Stadt. Dass es sich hier um einen der besseren Stadtteile von Teheran handelt, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Moderne Shopping-Malls, die alles bieten, was die internationalen Mode- und Elektronikkonzerne zu bieten haben und Luxuskarossen deutscher oder japanischer Produktion zeugen davon, dass sich ein Teil der Gesellschaft ganz gut mit den islamischen Revolutionären arrangiert haben oder in ihrem Fahrwasser zu ansehnlichen Vermögen gekommen sind. Der Norden der Stadt liegt deutlich höher als die Innenstadt und damit ist Klima hier erträglicher und der tägliche Smog hält sich auch in Grenzen, da das Verkehrschaos nicht ganz so schlimm ist, wie im Rest der Stadt. Die Saadabad-Paläste liegen in einem wunderschönen, mehr als 400 Hektar großen alten Park und für die Schah-Familie wurden hier im Laufe der Zeit 18 Paläste errichtet, in denen heute viele Museen untergebracht sind. Mein erster Anlauf, die Anlage zu besichtigen, ist ein Fehlschlag. Eine Einheimische erklärt mir, dass ihr Präsident in der Anlage ist und diese deswegen ohne Vorankündigung für diesen Tag geschlossen ist. Heute dann bei Regenwetter der zweite Anlauf mit mehr Erfolg. Zwei Paläste, den weißen und den grünen, sehe ich mir an, dazu noch den Fuhrpark des Schah - das muss reichen. Prunk wohin man sieht, alles mit wertvollen französischen Antiquitäten eingerichtet, dazu edle persiche Teppiche - der größte 165m² - alles eine Frage des Geschmacks.

Der große Saal im weißen Palast für offizielle Empfänge

Hier wurde nicht gekleckert - hier wurde geklotzt

Der Weiße Palast am nördlichen Stadtrand Teherans - und als wollte mich die Stadt Lügen strafen, reißt an dem Regentag die Wolkendecke kurz auf, die Sonne kommt raus und gibt die Sicht auf die schneebedeckten Berge des Elburs frei - von dem Dauersmog keine Spur. Hier kann man wohnen

In meinem letzten Bericht hatte ich es schon angedeutet, mit dieser Stadt werde ich nicht warm. Zu eng, zu chaotisch, städtebaulich nichts, was mich begeistern kann. Das habe ich in anderen Metropolen schon ganz anders empfunden. Dazu kommt das Gefühl, dass man hier überall versucht, Touristen zu übervorteilen. Dass die Stadt teurer ist als der Rest des Landes ist irgendwie klar, aber ständig Extrapreise für Fremde, macht die Stadt nicht sympatischer. Das fängt beim Taxifahrer an, der statt des direkten Wegs (den ich von meiner Ankunft auf dem Rad kannte) einen weiten Umweg fährt und einen entsprechend hohen Fahrpreis einfordert und hört beim Geld umtauschen, wo erst einmal versucht wird, unter Kurs zu wechseln, noch lange nicht auf. Teheran und Mashhad sind anders als der Rest des Landes und die letzten Eindrücke meiner Reise sind nicht die, die ich in den vorangegangenen fast sieben Wochen mitgenommen habe.

Massive offizielle anti-amerikanische Propaganda habe ich nur in Teheran und Mashhad gesehen. Ich weiß nicht, ob ich jemals ein derart großes Plakat gesehen habe, das an der Fassade eines Hochhauses angebracht ist

Kaum zu glauben, dass ein "freier" Künstler dieses Graffito an der Mauer der geschlossenen amerikanischen Botschaft angebracht hat. Derselbe Spruch fand sich auch auf einem Banner an einer Straßenbrücke

Versuch eines Fazits

Es fällt mir ziemlich schwer, die vielen, zum Teil widersprüchlichen Eindrücke unter einen Hut zu bekommen. Es sind natürlich sehr individuelle Erlebnisse und ich bin weit davon entfernt, zu sagen: So ist der Iran. Dazu sind 7 1/2 Wochen mit dem Rad zu kurz, dafür ist ein Land, das fünfmal so groß wie Deutschland ist und fast genauso viele Einwohner zahlreicher unterschiedlicher Völker hat, einfach zu vielfältig und es gibt eben auch riesige Gebiete, die ich überhaupt nicht gesehen habe.

Die Menschen

In keinem anderen Land wurde ich bisher so herzlich aufgenommen, wie im Iran. "Welcome to Iran" - ich weiß nicht wie oft ich diesen Satz gehört habe und mir dabei auch das Gefühl vermittelt wurde, als Gast in diesem Land wirklich willkommen zu sein. Nur wenige der zahlreichen Einladungen zum Übernachten, zum Essen oder zum Tee habe ich tatsächlich angenommen. Aber die Gastfreundschaft und die Hilfsbereitschaft sind überwältigend. Das riesige Interesse an dem exotischen Fremden äußert sich oft als unverhole Neugier an allem, nimmt einem jede Privatsphäre und ist - besonders wenn man mal nicht so gut drauf ist - auch schon mal nervtötend. Dass Großstädte dabei anoymer und unpersönlicher sind, liegt in der Natur der Sache.
Meist die erste und wichtigste Frage ist die nach dem Heimatland. "Germany - very good" - diese Reaktion, und andere habe ich nicht erfahren, wird häufig damit verknüpft, dass Iraner wie Deutsche Arier sind, also die gleichen Wurzeln haben. Dass wir damit ein geschichtliches Problem haben, trifft hier auf ziemliches Unverständnis...
Bedauerlich war für mich immer wieder die Sprachbarriere. Ich habe in den gut sieben Wochen nicht mehr als einzelne Wörter in Farsi gelernt und speziell auf dem Land, wo ich überwiegend unterwegs war, sprechen die Menschen auch nicht mehr Englisch als ich ihre Sprache. So blieb die Kommunikation meistens sehr einsilbig und mehr als oberflächlich - schade.
Sicher habe ich keinen repäsentativen Querschnitt der Bevölkerung kennen gelernt. Aber welcher Tourist tut das schon. Der in der Reisegruppe von Hotel zu Hotel unterwegs ist wahrscheinlich am allerwenigsten, aber auch der Backpacker der sich via couchsurfing, das hier sehr populär ist, von Privatunterkunft zu Privatunterkunft hangelt, kommt eher mit den gebildeteren Menschen in Kontakt, die Fremdsprachen beherrschen und sprechen wollen. Ich hatte von allem etwas. Am unfreundlichsten war eigentlich das Hotelpersonal, von dem man zumindest ein professionelle Höflichkeit erwarten könnte. Hier hatte ich immer nur das Gefühl, bei der Beschäftigung mit dem Smartphone zu stören.

Die Sicherheit

Als sich in meinem Umfeld zu Hause meine Absicht, in den Iran zu fahren verbreitete, musste ich mir schon mal die Frage stellen lassen, ob ich mit meinem Leben abgeschlossen habe. Meine Informationen von anderen Reisenden und meine eigenen Erfahrungen hier sprechen eine ganz andere Sprache. Ich habe mich hier immer sehr sicher gefühlt und die Kriminalitätsrate ist hier sehr niedrig, auch - oder vielleicht auch weil - die Menschen alles verrammeln und verriegeln und sich das private Leben oft hinter verschlossenen Türen abspielt. Was das Sicherheitsgefühl in einem Reiseland - hinsichtlich Kriminalität - angeht, kommt Iran gleich hinter Island.
Ganz anders sieht es mit der Verkehrssicherheit aus. Der Verkehr hierzulande, und besonders in der Städten, ist mörderisch. Der achtjährige Krieg gegen den Irak ist noch nicht so lange her und hat 300.000 Menschenleben auf Seiten Irans gefordert. In jedem Ort hängen die Fotos der Gefallenen in den Straßen. Im Straßenverkehr sind seit Kriegsende mehr Menschen umgekommen. Jedes Jahr sterben hier ca. 23.000 Menschen bei Unfällen (zum Vergleich Deutschland ca. 3500) und das Land steht bei der Zahl der Getöteten je 100.000 Einwohner auf Platz 3 der Weltrangliste. Wenn man die Fahrzeuge hier sieht und die Fahrweise (die Menschen sind kriegserfahren) verwundert eigentlich nur, dass Iran nicht die Spitzenposition einnimmt. In Sachen Auslegung von Verkehrsregeln musste ich hier vieles lernen, um zu überleben, z. B. dass man auch im Kreisverkehr mit Gegenverkehr rechnen muss, dass rote Ampeln nicht für alle gelten und wer an ein sicheres Überqueren der Straße an einem Zebrastreifen glaubt, glaubt auch an die lebensverlängernde Wirkung eines Stricks am Galgen.

Die Lebensdauer in Europa oder Nordamerika ausgemusterter Fahrzeuge scheint hier unbegrenzt - nur die vielen verlorenen Schrauben am Fahrbahnrand geben mir zu denken...

Der Zamyad - die Allzweckwaffe im iranischen Transportwesen. Unglaublich vielseitig und ohne Begrenzung der Belastbarkeit

In der Verkehrssicherheitsarbeit setzt man hier auch auf Abschreckung - ohne durchschlagenden Erfolg

Die Landschaft und Umwelt

Wer den Unfallrisiken entgeht, den bringt man hier mit den Abgasen um. Die Fahrzeuge, besonders die schweren Lastwagen, sind uralt und spätestens am Berg stoßen sie riesige schwarze Rußwolken aus, wenn sie sich im Schritttempo nach oben quälen. Gefühlt haben alle Lkw, die in meiner Richtung unterwegs waren das Auspuffendrohr rechts, im Gegenverkehr links - oft ist das kaum zu ertragen. Aber auch ansonsten ist das Umweltbewusstsein ungefähr so stark ausgeprägt wie bei uns Anfang der 70er Jahre. Die Landschaft ist vermüllt, insbesondere in der Nähe der Ortschaften und an den Straßen. Energie sparen ist hier ein Fremdwort. Das Land sitzt auf den drittgrößten Erdölreserven und den größten Gasvorkommen der Welt - da ist Energie so billig, dass kein Haus isoliert wird und man aus dem Vollen schöpft.
Landschaftlich ist Iran sehr abwechslungsreich, wobei man manchmal weite Wege zurücklegen muss, um in andere Landschaften zu gelangen. Jetzt im Herbst ist auch alles braun in braun, die Vegation in verdorrt und die Felder abgeerntet. Leider war die Sicht durch diesigen Himmel und viel Staub oft schlecht, trotzdem war es die richtige Entscheidung, im Herbst herzukommen und der Spagat zwischen zu heiß und zu kalt ist gut gelungen - nur ein Regentag auf dem Rad! Für gute Fotos ist der Winter besser und mehr Abstecher von den Hauptstraßen.

Das System

Man darf hier mit Sicherheit nicht alles schön reden. Auch wenn man es als Tourist kaum spürt und im Alltag nicht wahrnimmt. Es handelt sich um ein totalitäres Regime, in dem Menschenrechte in unserem Sinne nicht in gleichem Maße zur Geltung kommen. Polizei und Mitlitär sind allgegenwärtig. Ich habe bei aller Zurückhaltung der meisten Menschen in diesen Fragen niemanden getroffen, der mit der politischen und wirtschaftlichen Situation im Land zufrieden ist, vielen ist die politische Führung verhasst und man geht nicht zur Wahl, weil Politik ohnehin unter dem Vorgehalt der Geistlichen steht. Das Land leidet unter den internationalen Sanktionen und der Misswirtschaft des Staates. Viele sind nur mit irgendwelchen Tätigkeiten beschäftigt, die ihnen gerade mal das Überleben sichert. Medien sind unter staatlicher Kontrolle und es ist eine deutliche Dauerpropaganda spürbar. Trotzdem nimmt sich jeder seine Freiheiten heraus und wenn man erwischt wird, wird eben geschmiert. Allerdings sind hier auch viele Menschen auf dem Sprung, das Land zu verlassen, sobald sie eine Möglichkeit dazu finden. Das gilt insbesondere für Menschen die ein Studium abgeschlossen haben und keine entsprechende oder angemessen bezahlte Arbeit finden.
Der Islam ist zwar Staatsreligion, wird aber von den wenigsten Menschen ernsthaft praktiziert. Immer wieder habe ich es in größerer Runde erlebt, dass nach der Mahlzeit einer aufstand und innig gebetet hat, die anderen davon aber keine Notiz nahmen. Insgesamt hat mich der sehr lockere und tolerante Umgang mit der Religion und mit Nichtmoslems gewundert. Das war sehr angenehm.

 

Insgesamt eine spannende Reise mit vielen, vielen neuen Eindrücken. Was besonders in Erinnerung bleiben wird, ist die Herzlichkeit der Menschen und die vorbehaltlose Gastfreundschaft, die die hier genießen durfte.

Merci und khoda hafez Iran