Dem Kupfer nach durch die Atacama-Wüste

San Pedro de Atacama ist im tatsächlichen wie im übertragenen Sinne eine Oase in der Wüste. Die Atacamawüste reicht direkt vom Pazifikstrand bis an die Berge, aus denen wir gerade gekommen sind und ist eine der trockensten Wüsten der Welt. San Pedro hat sich zu einem ganz ansehnlichen Touristenzentrum gemausert, denn von hier kann man leicht die Hauptattraktionen der Wüste besuchen. Ausserdem ist der Ort Durchgangsstation für den Schwerlastverkehr nach Bolivien, Paraguay und Argentinien, für die Antofagasta ein wichtiger Im- und Exporthafen ist.

Seit mehr als zwei Wochen die ersten Bäume - und die Kirche von San Pedro, deren Dachkonstruktion aus Kaktusholz besteht

Einen Tag nach uns kommen abends völlig ausgepumpt auch Sarah und Geoff in San Pedro an und ich treffe sie zufällig auf der Plaza. Sie sind auf der Suche nach einer Unterkunft und ziehen auch mit in unser Hostal, wo wir schon einen Mengenrabatt für unsere Gruppe bekommen hatten und geniessen den ungewohnten Komfort.
Wüste haben wir eigentlich genug gesehen und uns steht nicht der Sinn danach, von hier großartige Ausflüge zu machen. Nur das Valle de la Luna liegt quasi vor der Haustür und zum Sonnenuntergang sind wir  zusammen mit vielen anderen auf der Hauptdüne.

Zum Teil nur kriechend kommt man durch die Höhlen in der Valle de la Luna

Welch' ein Unterschied zu Bolivien, wo selbst im Nationalpark scheinbar keine Regeln herrschten. Hier wird von Parkrangern streng darauf geachtet, dass keine Fußspur die Hauptdüne verunziert und auch wo wir unsere Fahrräder abzustellen haben, ist reglementiert.

Ja, die Valle de la Luna ist schön, trotzdem will bei keinem von uns so richtige Begeisterung aufkommen, zu präsent sind die Landschaft und die Erlebnisse in Bolivien

Xinhan und Emilien mit seinen Eltern brechen am nächsten Morgen mit dem Fahrrad Richtung Salta/Argentinien auf - wieder zehn Tage Einsamkeit. Auf meiner Wunschliste der Dinge, die ich auf dieser Reise sehen wollte, ist noch eine Position offen: Die größte offene Kupfermine der Welt in Chuquicamata, mitten in der Atacama. Besichtigung nur an Werktagen, Anmeldung mindestens zwei Werktage vorher. Nach der Ankunft am Mittwoch bekomme ich für Montag eine Zusage. Nach drei Tagen Erholung breche ich am Sonntag sehr früh ins 100 km entfernte Calama auf, einer Bergarbeiterstadt mit mehr als 100.000 Einwohnern in der Wüste. Davor steht mal wieder ein Berg, den ich vor der Hitze des Tages und vor dem aufkommenenden Nordwestwind überwinden möchte. Mehr als 20km ununterbrochener Steigung und fast 1000 Höhenmetern fordern doch noch einmal deutlich mehr Muskelkraft als erwartet. Auf der Passhöhe angekommen ist der Wind schon recht kräftig und für eine kleine Stärkung suche ich Schutz in einem Buswartehäuschen (ja, so etwas gibt es in Chile!). Kaum sitze ich, hält ein Pickup und der Fahrer bietet an, mich nach Calama mitzunehmen. Ich nehme gern an, denn vor mir liegen noch ca. 50 km schnurgerader Asphaltstrasse mit nichts als brauner, vegetationsloser Wüste links und rechts und ein immer stärker werdender Gegenwind. Da sind auch die 1000m, die es bis Calama wieder bergab geht, kein überzeugendes Gegenargument.

Entgegen der Beschreibung im Reiseführer ist Calama eine ganz ansehnliche Stadt, in der man spürt, dass die Minenarbeiter von Codelco, der staatlichen Kupfermine, zu den bestbezahlten Arbeitskräften des Landes gehören. Im Zentrum finde ich eine günstige Unterkunft und am nächsten Vormittag treffe ich mit mit Sarah und Geoff, die das gleiche Ziel haben, auf der Plaza und weil Geoff seinen Geburtstag feiert, darf ein ganzer Apfelkuchen für drei nicht fehlen.
Vom Besucherzentrum von Codelco geht es dann - alles sehr formal geregelt - kostenlos mit einem bequemen Reisebus ins ca. 15km entfernte Chuquicamata. Eine super Autobahn durch die Wüste führt in die Geisterstadt. Die letzten Bewohner wurden 2008 nach Calamata umgesiedelt - wohl nicht zuletzt wegen der erheblichen Umweltbelastung in der Gegend. Aber darüber schweigt sich die Mitarbeiterin der Mine lieber aus.  Riesige Abraumhalden sind schon von weitem zu sehen.

Verlassene Wohnhäuser vor der Kulisse riesiger Abraumhalden

Wenn man es nicht besser wüsste, glaubt man kaum, dass dieser Ort unbewohnt ist - alles sieht deutlich gepflegter aus als in vielen anderen Städten

Im Besucherzentrum, einen alten Minenbüro, gibt es einen Vortrag über die Rahmendaten: Insgesamt drei Minen, das größte Loch ist 5km lang, 3km breit und 1km tief. Jeden Tag werden 1500t reines Kupfer gewonnen, wobei der Kupfergehalt des Erzes nur 1% beträgt, d. h. es müssen täglich ca. 150.000t Gestein verarbeitet werden! Und das eigentlich Interessanteste: Die Nebenprodukte wie Gold, Silber, Kobalt und andere Metalle bringen soviel ein, dass sie die gesamte Förderung des Kupfers finanzieren.
Helm auf, Sicherheitsweste an, rein in den Bus und ab in die Mine.
Gigantische LKW kreuzen unseren Weg und der Reisebus wirkt daneben wie ein Spielzeug.

Leider gab es keine Gelegenheit fuer ein Foto mit Größenvergleich, aber so ein Gigant wiegt beladen bis zu 400t (so viel wie 10 voll beladenen LKW auf unseren Straßen) und allein die Räder haben mit 4m die Hähe eines normalen LKW. Dafür liegt der Dieselverbrauch mit 5000l pro Tag bzw. 3l pro Minute auch etwas höher und der Anschaffungspreis von 5 Mio $ liegt auch nicht in der Portokasse.

Einzige Station in der Mine ist eine Aussichtsplattform für Besucher am Rande eines unvorstellbar großen Lochs in der Wüste, in dem sich die LKW beladen spiralfoörmig in einer Stunde bis zum oberen Rand schrauben. Mein Problem während der ganzen Tour war, die Dimensionen zu erfassen. Diese Größenordnung sprengt das Vorstellungsvermögen, selbst wenn man davor steht.

5km lang, 3km breit und 1km tief - die gigantischen Baumaschinen wirken in diesem Loch bestenfalls wie Ameisen - und unterirdisch geht es noch weiter.

Nicht nur kupferhaltiges Erz wird aus der Grube gekarrt, sondern zusätzlich zur Sicherung der Ränder unvorstellbare Mengen wertloses Gestein. Zu der Frage einer Besucherin, ob es denn keine Probleme mit Regenwasser in der Grube gibt: Nein, es regnet durchschnittlich nur einen Tag im Jahr!

Die Mine von Chuquicamata ist aber nicht die einzige in Chile. Allein der Weg von Calamata durch die Atacama ins 250 km entfernte Antofagasta am Pazifik ist mit weiteren Minen - nicht nur Kupfer - gespickt. Diese sonst so lebensfeindliche Umgebung ist so unglaublich reich und ihre Ausbeutung ist wesentlicher Grund für den überall spürbaren Wohlstand Chiles.
Den Weg durch die Wüste nach Antofagasta lege ich mit dem Bus zurück. Gegenwind, starker Schwerlastverkehr und eine eintönige Landschaft lassen kein Bedauern für diese Entscheidung aufkommen. Mindestens zwei harte Tage im Sattel und Zeitdruck bis zum Abflug wären die Alternative gewesen. In der Hafenstadt am Pazifik begegnet mir das Kupfer noch einmal. Im Güterbahnhof stehen endlose Reihe von Waggons, die mit den zu 99,8% reinen Kupferplatten beladen sind und von hier in alle Welt verschifft werden.

Hier liegen Millionenwerte auf den Waggons - armseelige Kupferdiebe in Deutschland, die Regenrinnen abmontieren...

Auf einem schmalen Streifen zwischen Pazifik und der Cordellera de la Costa streckt sich die 300.000-Einwohner-Stadt Antofagasta - die Wüste endet hier direkt am Strand

Ich bin an meinem Ziel angekommen. In drei Tagen fliege ich von Antofagasta via Santiago, Madrid und Frankfurt nach Hamburg zurück und dann hat mich der Alltag wieder - bis zur nächsten Reise. Es bleiben unvergessliche Eindrücke, von denen ich einige hier versucht habe ein bisschen darzustellen - Worte und Bilder sind aber kein Ersatz für das Erleben - und so viele Begegnungen mit netten, hilfsbereiten Menschen, von denen die meisten hier unerwähnt geblieben sind.
Ich hoffe, es hat euch auch ein bisschen Spaß gebracht, mich hier auf dieser Seite auf meiner Reise zu begleiten.

Am Pazifik angekommen!

Die Top 3...

... der Fragen, die die Welt nicht braucht...

Ich kenne sie schon die Fragen, die üblicherweise gestellt werden, wenn ich wieder im Lande bin. Und wer mich kennt, weiß, dass ich lange von meinen Reise zehre und auch gern darüber berichte. Aber es gibt da ein paar Fragen, auf die ich auch ganz gut verzichten kann. Und hier sind die Top 3:

 

Nr. 3
"Wie viele Platten hattest du auf der Reise?"
Ich weiß nicht warum, aber es wird immer nach der Zahl der Platten gefragt - wahrscheinlich das Schlimmste, was sich der Gelegenheitsradler so vorstellen kann. Ja, gelegentlich muss man das Flickzeug rausholen. Aber ganz ehrlich, ein Plattfuss ist das kleinste aller denkbaren Probleme. Ich bin immer froh, wenn ich eine Reise ohne Stürze, Unfälle oder große gesundheitliche Probleme beenden kann. Ein paar Flicken nehme ich da gern in Kauf.

 

Nr. 2
"Wie viele Kilometer fährst du durchschnittlich am Tag?"
Wenn ich eine Zahl sage, ist Reaktion darauf meistens: "Das geht ja," oder "So viel bin ich auch schon mal gefahren," oder Ähnliches. Spätestens nach dieser Reise gibt es auf diese Frage keine Antwort mehr. Wie will ich 40km Sandpiste auf mehr als 4000m Höhe mit Gegenwind und vollem Gepäck vergleichen - und wer hat diesen Vergleich? Also: Im Laufe der Jahre bin pro Tag zwischen 20 und 220km am Tag gefahren und jeder kann sich aussuchen, wo er sich selbst wiederfindet.

 

Und die absolute Nr. 1
"Wohin geht die nächste Reise?"
Leute, ich komme gerade von einer Reise zurück, von der sich die wenigsten vorstellen können, was es bedeutet, sich hier mit dem Fahrrad zwei Monate z. T. fernab der Zivilisation zu bewegen. Mit meinem Tagebuch und meinen Bildern werde ich selbst noch eine ganze Weile gebrauchen, alles zu erfassen und zu verarbeiten. Gebt mir diese Zeit, bevor ich neue Reisepläne schmiede. Natürlich trifft man viele andere Radler und die Liste der Wunschziele wird durch deren Berichte eher länger als kürzer. Ihr werdet es erfahren, wohin es mich treibt.