Ganz schön weit oben angekommen

Normalerweise trinke ich nur Tee, wenn ich etwas mit dem Magen habe - und ich habe nie Magenprobleme. Und hier beginne ich den ersten Tag nach meiner Ankunft mit einem Tee. Die peruanische Küche hatte noch keine Chance, mir den Verdauungstrakt umzudrehen. Aber ich bin nicht sicher, ob gut 30 Stunden Anreise und sieben Stunden Zeitverschiebung mir in der Nacht leichte Kopfschmerzen (kenne ich sonst auch nicht) verursacht haben, oder ob es der Unterschied von 26 m über dem Meer zu Hause auf 3300 m in Cusco sind. Jedenfalls ist die Luft hier schon ziemlich dünn und Treppen und steile Straßen, die es  zur Genüge gibt, lassen den Atem schon man schnell werden. Am Flughaben werden zwar schon bei der Ankunft Medikamente und Sauerstoffflaschen gegen die Höhenkrankheit verteilt, ich versuche es aber mal mit dem hier üblichen Hausmittel der Wahl: Tee - Mate de Coca...

Mir fehlt der Vergleich - aber eingeschlafene Füße müssen ähnlich schmecken. Aber wenn's denn hilft... und irgendeine berauschende Wirkung kann man wirklich nicht feststellen!

Die Kopfschmerzen sind jedenfalls weg und auch sonst haben sich keine weiteren Anzeichen der Höhenkrankheit eingestellt. Aber die Kurzatmigkeit ist noch immer da - so schnell geht es mit der Akklimatisierung denn doch nicht.

 

Cusco - wie schon gesagt, 3300 m über dem Meer und das touristische Epizentrum Perus, wenn nicht ganz Suedamerikas. Die Meisterwerke der Inkakultur und die Bauten und Kunstwerke der spanischen Eroberer gibt es hier überreichlich und treibt die Touristen aus aller Welt in Massen hierher. Zum Glück ist die Hauptsaison vorbei und in der Stadt sind nicht so viele Menschen unterwegs - abgesehen von den ca. 300.000 Einheimischen. Aber im Stadtzentrum ist man damit auch gleichzeitig Freiwild für alle, die einem Touren, Kitsch oder alle anderen möglichen Dienstleistungen aufschwatzen wollen.

Rund um die Platza de Armas im Stadtzentrum befinden sich die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt

In einem kleinen, ruhigen Hotel in der Nähe des Stadtzentrums habe ich mich für drei Nächte eingemietet. Ankommen, Höhenluft atmen und die Stadt erkunden stehen auf dem Programm. Das Fahrrad ist bis auf eine dicke Schramme, die ich mir selbst zurechnen kann, heil und mit dem Rest der Ausrüstung vollstaendig angekommen und ist erst einmal im Hotelzimmer geparkt.

Von dem ruhigen Innenhof in dem alten Gebäude gehen die Hotelzimmer ab.

Kirchen, Museen - alles gut und schön, was mich aber am meisten fasziniert hat, sind die Mauern und Ruinen der Paläste und Festungen der Inkas, die hier in der ehemaligen Hauptstadt ihres Reichs noch zahlreich vorhanden sind, obwohl Erdbeben die Gegend immer mal wieder heimgesucht haben. Erdbebensicher bauen schützt aber nicht vor Eroberern, die Baumaterial gebrauchen, und so sind nur noch kümmerliche und dennoch beeindruckende Reste vorhanden.

Allerfeinste Handwerkskunst - es passt wirklich keine Messerspitze in die Fugen und dabei sind die Steine ohne Mörtel nur aufeinander gelegt

In den Ruinen der Festung Sacsayhuaman (sprich: sexy woman)

Einer muss den Job ja machen - Unkraut jäten in der Festung. Eigentlich kaum zu glauben, dass in diesen schmalen Ritzen etwas wachsen kann. Die Blöcke sind bis zu 300 t schwer - unvorstellbar, wie die mit der Hand bearbeitet und bewegt wurden

Der Grundriss der Festung soll den Kopf eines Pumas darstellen und die 22 Mauervorsprünge sein Gebiss

Zum Schluss noch einmal zurück zu meinem Magen. Der Markt im Stadtteil San Pedro ist eine echte Herausforderung für alle Sinne. Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und allen möglichen Krimskrams gibt es hier in einer Vielfalt, wie ich sie bisher kaum einmal gesehen habe - in den Lebensmittelabteilungen unserer Supermärkte schon gar nicht. Und es wird auch frisch zubereitet und zu Spottpreisen angeboten - wenn man sich traut, denn Hygiene ist woanders. Und weiß man, was drin ist? Das Sonderbarste, was ich auf diesem Markt gesehen habe, waren Schlangen und Echsen mit Kräutern und Gewürzen in was-fuer-einer-Flüssigkeit-auch-immer in alten Wasserflaschen eingelegt... Allerdings noch quirliger wird's, wenn man sich ins cetro comercial hineintraut, wo ich vergeblich nach Gaskartuschen für meinen Kocher gesucht habe. Im mercado San Pedro habe ich bis auf einen leckeren, frisch gepressten Saft, eine Kaffee und Kuchen nichts gegessen. Das Cuy (Meerschweinchen) kam erst abends im Restaurant auf den Teller - ein Foto erspare ich euch ;-) War lecker, denn es war vollständig mit Kräutern und Gewürzen gefüllt - aber von der Fleischmenge wirklich nicht der Rede wert. Und wie es in der Küche aussieht, will man ja nicht wissen...
Der Magen hat's gut mitgemacht und ist damit auf weitere kulinarische Abenteuer eingestellt. Ich hoffe der Körper auch, denn morgen setze ich mich auf mein Rad und dann will ich mir weitere Highlights der Inkakultur in der Umgebung ansehen. Ich werde weiter berichten.

Endlich ist es soweit, dass ich mich auf mein Fahrrad setzen und auf die Piste gehen kann - nein Stadt, Hotel und "Touristenprogramm" sind nicht so mein Ding. In Cusco habe ich alles abgeklappert, was man dort so gesehen haben muss und ich denke, zum Akklimatisieren hat die Zeit auch gereicht.
Also geht's am Donnerstag in Richtung Machu Picchu bzw. nach Ollantaytombo, denn hier endet die Strasse und man wandert oder nimmt den Zug nach Aguas Calientes, dem Ausgangspunkt in die Ruinen.
Aber erst einmal raus aus der Stadt! Verkehrschaos ist hier immer, aber auf kurzem Weg finde ich den Ortsausgang - 4 km und 225 Hoehenmeter mit bis zu 16% Steigung - das reicht zum Aufwärmen. Puls und Atmung rasen. Wie war das noch einmal mit der Akklimatisierung? Aber auf gutem Asphalt fahre ich dann erst einmal locker bergab und die Welt ist wieder in Ordnung.
Auf langen Steigungen mit etwa 5% im kleinen Gang komme ich in den Tritt und für den ersten Tag finde ich die erreichte Höhe von 3710m auch nicht schlecht. Rund herum Andendörfer und zum größten Teil ziemlich archaische Landwirtschaft. Ochsengespanne mit Hakenpflug gehören genauso bald zum vertrauten Bild wie Menschen, die Lehmziegel fuer die Adobehäuser mit der Hand formen, um sie in der Sonne zu trocknen. Apropos trocken: Die Sonne ist ziemlich gnadenlos, obwohl Temperaturen um 25º C ganz angenehm sind. Aber die Luft ist extrem trocken und ich komme mit dem Trinken kaum nach.

Weite Land(wirt)schaft auf 3600m Höhe

Und immer wieder liegen am Wegesrand hier im "Heiligen Tal" - wieso Tal? - Inka-Ruinen

Den Weg in eine Sackgasse nach Moray erspare ich mir und nehme mir eines der Taxis, die an der Abfahrt warten. Eine gute Enscheidung, wenn ich die Strasse sehe - nicht ganz so gut, wenn ich an das Taxi und seinen Fahrer denke.
Moray - eigentlich nur ein Loch in der Erde oder ein kleines Tal. Was diesen Flecken so sehenswert macht, sind die Terrassen, die von den Inka als Versuchsfeld für ihren Ackerbau angelegt wurden. Sieht aus wie ein riesiges Amphietheater und auf den verschiedenen Ebenen sollen unterschiedliche klimatischn Bedingungen herrschen - ein ideales Experimentierfeld auf kleinstem Raum. Der Taxifahrer wartet mit meinem Fahrrad im Auto eine halbe Stunde - ich hasse es unter Zeitdruck zu stehen...

Der Experimentiergarten der Inka in Moray - am Grund sind Menschen. So klein ist das Ganze nicht

In Maras steige ich an einer Einmündung aus, zahle die vereinbarten 30 Soles (ca. 9 Euro) und ab jetzt schlucke ich Staub. Auf der Nebenstrecke will ich die Salinen von Maras ansehen. Erst ist es hügelig, dann geht es auf der einspurigen Strecken steil bergab. Hinter einer Kurve tauchen dann die Salinen auf. So hatte ich mir das Ganze nicht vorgestellt. Einfach spektakulär diese Anlage von hunderten Becken, die an einen steilen Hang gebaut und von einer salzhaltigen Quelle gespeist werden. Mit blossen Händen schöpfen die Arbeiter das Salz aus der Saline, wenn das Wasser weitgehend verdunstet ist - und kommt dann als etwas ganz Besonderes bei uns in den Handel! Es ist etwas Besonderes. Die Bilder können nur einen vagen Eindruck von der Wirklichkeit wiedergeben.

Ein unglaublicher Anblick wie sich hier hunderte Salinenbecken an den Hang drängen...

...und aus diese Perspektive noch überschaubarer

Hier ist Handarbeit angesagt - kaum vorstellbar, den ganzen Tag barfuss in der Lake zu stehen und mit blossen Händen das Salz zu schöpfen

Wie gesagt: Eche Handarbeit - und als Luxus Gummistiefel

Aber die sozialen Einrichtungen des Arbeitgebers sind vorbildlich - es gibt die Moeglichkeit, die Füße zu waschen :-(

Eigentlich ist auch der Weg zur Saline eine Sackgasse aber mit dem Rad geht es weiter. (Ist in der Karte ganz normal eingezeichnet, wurde mir aber von einem Taxifahrer als besonderer Tipp empfohlen.) Allerdings kann man von einer Straße nicht mehr sprechen und die Spuren im Staub zeigen, dass hier selbst die Mountainbiker absteigen - und ich mit meinem voll beladenen Rad...
Bei Einbruch der Dunkelheit erreiche ich Ollantaytambo und quartiere mich in einem günstigen Hostal ein, um morgen mit dem Zug weiter zu fahren.

Ein echter Geheimtipp dieser Weg - aber immer noch besser als wieder den Berg nach oben und einen riesen Umweg in Kauf nehmen.

"Durch diese hohle Gasse muss er kommen" - Schiller? Die Räuber? Jedenfalls komme ich mir hier ein bisschen so vor. Will man nicht zu Fuß über den Inka-Trail oder entlang der Bahngleise nach Aguas Calientes laufen, muss man spätestens ab Ollantaytambo den Zug nehmen. Und wie es sich für DIE Touristenattraktion Suedamerikas gehört, steigen die Preise so steil an, je näher man dieser alten Inka-Stadt kommt, wie die Straße auf den letzten Kilometern. Sei's drum. Eine Alternative gibt es nicht, will man die Ruinen sehen. Bei uns könnte man für Vergleichbares wahrscheinlich noch mal ein Vielfaches drauflegen - und es lohnt sich wirklich.

Wem soll man eigentlich glauben? Am Flughafen in Cusco wurden schon Tickets für die Zugfahrt verkauft. Meine Frage, ob ich mein Fahrrad mitnehmen könne, wird bestätigt. Hier nicht. Maximal fuenf Kilo Handgepäck im Zug - und aufgeben kann man auch nichts. Aber es gibt eine Gepäckaufbewahrung, wo ich mein Fahrrad kostenlos unterstellen könne. Davon weiß aber wiederum die junge Frau an dem Schalter nichts - das Fahrrad ist zu groß und morgen steht eine Inspektion bevor... Bis das Fahrrad endlich in dem umfunktionierten Container steht, vergeht eine Stunde mit viel Überreden und vielen Telefonaten mit Vorgesetzten.
Die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges gegen Abend verbringe ich damit, mit die Ruinen in Ollantaytambo anzusehen, die auch wirklich sehenswert sind, aber wohl doch sehr im Schatten von Machu Picchu stehen.

Ein paar Bilder von der beeindruckenden Festungsanlage in Ollantaytambo, wo den spanischen Eroberern eine empfindliche Niederlage beigebracht wurde.

Auch hier feinste Steinmetzkunst!

Den Tipp des Reiseführers, schon bei Sonnenaufgang um 6 Uhr in Machu Picchu zu sein, weil man dann das schönste Licht hat, haben wohl doch so einige gelesen. Schon um fünf Uhr ziehen Gruppen durch die Dunkelheit von Aguas Calientes (einem der fürchterlichsten Touristenorte, den ich je gesehen habe: Die hohle Gasse...) und am Eingang von Machu Picchu stehen die Menschenschlangen am Einlass. Und dabei ist schon Nebensaison.
Nur mit dem schönen Licht des Sonnenaufgangs ist Essig. Dichte Wolken hängen erst über den Bergen, dann hüllen sie Machu Picchu ziemlich komplett ein und schließlich fängt es ungefähr zehn Minuten nachdem ich angekommen bin, erst einmal kräftig an zu regnen. Keine Panik, ich habe den ganzen Tag zur Verfügung und nach zwei Stunden kommt dann doch noch die Sonne durch und es gibt reichlich Zeit und Gelegenheit sich mit ca. 2000 anderen Besuchern in dieser einzigartigen Ruinenstadt auf dem Gipfel eines Berges umzusehen. Als Flachländer frage ich mich dabei immer wieder: Warum macht man so etwas? Es gibt doch so schöne ebene Landstriche - auch mit friedfertigeren Nachbarn! Aber zugegeben: Diese Orte sind dann bei weitem nicht so spektakulär.

Aguas Calientes - kein Ort, sich aufzuhalten. Aber wenn, gibt es reichlich Möglichkeit, sein Geld los zu werden!

Machu Picchu empfängt mich mit Wolken und Regen

Aber ich bekomme meine Postkartenansicht, wenn auch nicht in ganz perfektem Licht

Ja, ich war auch da und ja, ich habe auch auf der Felsplatte gestanden, auf der sich wohl 95% aller Besucher ablichten lassen :-)

Kultstätte, Verteidigungsanlage, Herrschersitz und nicht zuletzt auch ein Ort, in dem die noetigen Lebensmittel auf den Terrassen rund um den Gipfel angebaut wurden

Ein unüberschaubares Gewirr von Gebäuden, Terrassen und Gassen

Ich hätte da noch ein paar Detail- und Übersichtsaufnahmen, aber ich belasse es bei den wenigen, die ich hier hochgeladen habe. Der eine oder die andere haben ja später noch Gelegenheit... (Kleine Drohung ;-))

So viel ist nicht passiert, seit ich von meinem Besuch in Machu Picchu berichtet habe. Der normale Radreise-Alltag hat mich fest im Griff, wobei "normal" hier irgendwie eine andere Dimension hat als anderswo. Also deswegen jetzt hier ein bisschen Alltägliches.

Essen und Trinken

Essen und Trinken stehen wohl bei allen Berichten von Reisen ziemlich weit oben auf der Liste der Erlebnisse. Dewegen auch hier noch ein paar Impressionen vom leiblichen Wohl - abseits der Touristenhochburgen.
Über meine Begegnung mit dem Meerschweinchen auf dem Teller hatte ich ja schon berichtet. Auf meiner weiteren Tour kam ich durch das kleine Örtchen Lamay. Dieser Ort war ein gro?er Meerschweinchen-am-Spiess-Drive-In! "Meerscheinchen to go" - so zu sagen!

Der Reisende wird am Ortseingang von Lamay mit einer riesigen Reklametafel empfangen, auf der für Meerschweinchen am Spieß geworben wird!

An mindestens zehn Ständen am Strassenrand wurden die frisch gegrillten Meerschweinchen für 40 Soles pro Stück feilgeboten - umgerechnet 12 Euro, hier ein richtig teures Essen.

Ich habe es bei Kaffee und Brot belassen, konnte mich im Gegenzug aber mit der Kamera ein bisschen umtun. Meine große Stunde schlug auf dem Markt von Pisac am vergangenen Sonntag. Pisac hat auch eine wirklich sehenswerte Inka-Ruine und lockt deswegen viele Touristen an. Sonntags ist die ganze Stadt ein einziger Markt. Viel Touristen-Schnickschnack, aber auf dem eigentlichen Marktplatz im Ortszentrum eben doch noch traditioneller Markt der Einheimischen.

Marktszene am Sonntag in Pisac

Mit einem Riesen-Maiskolben kann man doch wohl nichts falsch machen - dann aber die Geschmacksüberraschung: Das Ding schmeckt wie eine Pellkartoffel und man ist danach pappsatt

Lecker Obst und Gemüse in Hülle und Fülle - man muss man einfach zuschlagen...

Inzwischen hat sich mein Essverhalten so eingependelt, dass ich, wann immer sich die Möglichkeit dazu ergibt, in einem Restaurant mittags und / oder abends essen gehe. Hört sich verfressen an, weiß ich. Aber wenn man mit dem Rad unterwegs ist, hat man einfach immer Hunger. Und immer nur Nudeln... Also bestelle ich das, was alle bestellen: das Tages- oder Abendmenue. Meistens gibt es auch nichts anderes, womit sich die Frage nach dem Was eigentlich erübrigt. Man bekommt dann immer einen Teller Suppe - immer anders, Inhalt z. T. undefinierbar. Dann das Hauptgericht - immer Reis, Kartoffeln und Fleisch und/oder Gemüse und als "Nachtisch" ein warmes, süsses Getraenk. Der Spaß reißt mit 3,50 - 4,50 Soles ein richtiges Loch in die Reisekasse: Umgerechnet ca. 1,00- 1,50 Euro! Näheres über Inhalt des Essens und die Umstände auf dem Weg bis zu mir auf den Teller will man ja nicht wissen. Geschmeckt hat es immer und bekommen ist es mir bis jetzt auch.

Der Blick in ein typisches Restaurant - hier die sehr gepflegte Variante. Die andere meide ich oder verlasse sie, ohne etwas zu bestellen.

Wetter

Mit dem Rad unterwegs zu sein, bedeutet eine sehr starke Abhängigkeit vom Wetter, das bisher aber sehr zuverlässig war. Meistens beginnt der Tag mit strahlendem Sonnenschein und angenehmen 25 Grad - je höher man kommt, desto niedriger die Temperaturen. Oft zieht nachmittags dann Bewöklung auf und manchmal kommt auch etwas runter: Graupelschauer bei 16 Grad. Nachts wird's dann frisch. Auch wieder abhängig von der Höhe, fallen die Temperaturen unter den Nullpunkt. Da es hier keine Campingplätze gibt, gehe ich meistens ins Hostales oder Hospedajen. Die letzten beiden Nächte habe ich aber wild gecampt und heute morgen musste ich das Zelt erst einmal abtauen lassen, weil der Schnee vom Abend festgefroren war. Im Zelt hatte ich 3 Grad - da können sich der neue Daunenschlafsack und die Isomatte bewähren. Zuverlässig ist auch der Wind der in den Nachmittagsstunden aufkommt und ganz flott um die Ecke pfeifen kann. Dabei ist die Luft extrem trocken. Ich hatte ein paar Sachen abends gewaschen und aufgehängt und trotz der Minustemperaturen waren sie morgens trocken!

Ein traumhafter Morgen auf meinem exklusiven Campingplatz Tres Cañones - wenn die Sonne über den Berg kommt, steigen die Temperaturen sprunghaft um 10-15 Grad.

Begegnungen mit Mensch und Tier

Die Begegnungen mit den Menschen beschränken sich meistens natürlich auf ein kurzes Wohin und Woher und, für mich ganz wichtig, die Frage nach dem richtigen Weg, denn mein Karte hat einen riesigen Maßstab und die Wegweisung ist miserabel. Das Problem ist allerdings, dass viele sich auch in ihrer eigenen Heimat nicht auskennen und ich schon mal innerhalb von 5 Minuten zwei Auskünfte erhalte, die 180 Grad entgegengesetzt sind. Ich frage deswegen lieber öfter.
Tiere sieht man hier viele, allerdings nur Haustiere: Lamas, Alpakas, Esel, Rinder, Schweine. Abgesehen von Vögeln habe ich außer einem Guanako so gut wie kein Wildtier zu Gesicht bekommen.

Feldarbeit wie in ganz alter Zeit...

Eine Herde Alpakas auf dem Weg zur Weide - der Viehtrieb in den Morgen- und Nachmittagsstunden gehört zum täglichen Straßenbild

Im Vorbeifahren wurde ich ausdrücklich aufgefordert, Fotos von der Szene zu machen - hier werden 20 Lamas für den Schlachthof ausgesucht und verladen

Unterwegs

Die Straßenverhältnisse und Wegweisung habe ich eben schon einmal angesprochen. Die letzten zwei Tage wusste ich nicht, ob ich auf dem richtigen Weg war, obwohl es sich um eine nach Karte klassifizierte Straße handelte. Sie führte durch noch nicht ganz trocken gefallene Flüsse, der Schotter war derart grob und lange kamen keine richtigen Ortschaften und so gut wie kein Verkehr, sodass mir erhebliche Zweifel kamen. Dabei hielt ich mich überwiegend in einer Höhe von ca. 4000 - 4400m auf Den bisher höchsten Punkt habe ich heute Morgen mit 4599m (lt Höhenmesser am Tacho) erreicht. Hier bestimmt nicht die Kraft der Beine, sondern die Lunge das Tempo! Und das ist niedrig!!! Dabei war die folgende Abfahrt fast anstrengender als der Aufstieg, weil die Piste einem neben dem ständigen Bremsen so ziemlich alles abverlangte. Nun sollte man glauben, es handelte sich um irgend eine Nebenstrecke - weit gefehlt. Am Ende dieses Abschnitts liegt eine Mine und Busse im Konvoi, Schwer- und Gefahrguttransporte hüllten mich in Staubwolken - einfach schwer zu beschreiben.

Als ich dieses Bild machte, dachte ich, es könne nicht mehr schlimmer kommen - aber es kam noch viel schlimmer und jedesmal war ich froh, dass es sich um die Abfahrten und nicht um die Aufstieg handelte. Aber ich befürchte, das bleibt mir auch nicht erspart...

Guter Schotter und eine scheinbar unendliche Berglandschaft (und gerade mal kein LKW, der mich einstaubt). Höhe: 4200m

Soweit für heute. Wie gesagt, nichts Spektakuläres aber für mich doch sehr viele neue Impressionen. Spektakulär soll es morgen werden - hoffentlich macht die Sicht mit. Ich werde berichten, wenn ich in Arequipa angekommen bin.

Von Colca zum Titicacasee

Heute Morgen habe ich bei strahlendem Sonnenschein am Ufer des Titicacasees gefrühstückt. Der Ort - wenn man ihn denn so bezeichnen kann, denn hier leben gerade mal drei Familien - war eher eine Zufallsentdeckung, denn eigentlich wollte ich in Capachica auf der gleichnamigen Halbinsel im Titicacasee übernachten. Aber der Schlüssel für die Zimmer des einzigen Hostals im Ort war nicht aufzutreiben und so landete ich im zwei Kilometer entfernten Chifron. Reiseführer können so schön umschreiben, deswegen bin ich ja auch auf dieser Halbinsel gelandet. Was stimmt ist, dass sie dem Tourismus ziemlich fern liegt und wenn einige der Inseln im See ähnlich sein sollen, nur sehr touristisch, hat es doch sein Gutes gehabt, diesen 80 km Umweg zu fahren. So erspare ich mir doch eine Tagestour auf dem See. Über Chifron verliert der Reisefuehrer gerade mal fünf Zeilen. Im hiesige Jargon wird das Ganze turismo rural genannt und könnte am ehesten mit Ferien auf dem Bauernhof umschrieben werden.

Mein Zimmer in dem Adobe-(Lehm)-Haus. 15 Soles pro Nacht, 8 Soles jeweils für Abendessen (Forelle aus dem Titicacasee) und Frühstück - insgesamt 9,30 Euro

Frühstück im Freien. Vier dicke, fette Pfannkuchen mit selbst gemachtem Käse. Alles andere blende ich hier aus - nur so viel: an der Pumpkanne klebten die Finger fest...

Der Canyon de Colca

Rückblende: Ich war in Chivay angekommen. Von dort wollte ich den Canyon de Colca besuchen. Nie gehört? Grand Canyon ein Begriff? Klar! Gut - der Canyon de Colca ist mit ca. 3200m mehr als doppelt so tief und die zweittiefste Schlucht der Welt (die tiefste liegt auch hier in der Gegend). Der besondere Reiz für mich war der Mirador Cruz del Condor, ein Aussichtspunkt, an dem man Condore aus nächster Nähe im Flug beobachten kann, weil sie an den steilen Felswänden der Schlucht besonders morgens die Aufwinde nutzen, da sie auf der gegenüber liegenden Seite des Canyons ihre Horste haben.
Also früh auf's Rad und ab in die Schlucht. Geht auch erst mal ganz gut los auf Asphalt und die ersten 10 Kilometer fast nur bergab. Dann kommt Schotter. Und die Berge. Die 44 km bis zum Aussichtspunkt ziehen sich, wobei ich bei tollem Licht durch eine wunderschöne Landschaft fahre.

Schnee bedeckte Berge und die größten zusammenhängenden Terrassenanlagen Südamerikas - wieder ein Erbe der Inka-Zeit, das bis heute genutzt wird

Besonders die letzten 20 km werden lang - ein durchgehender Anstieg, nicht besonders steil aber mit grobem Schotter. Zur Abwechselung mittendrin ein Tunnel der mehrere hundert Meter lang ist, stockfinster und in dem der Staub wie ein Wand steht, denn der Untergrund hat die Konsistenz von Mehl.

Diesen kleine Tunnel habe ich nicht beschrieben ;-)

An einem kleinen Parkplatz, auf dem eine holländische Reisegruppe ihre Landschaftsaufnahmen macht und Andenken kauft, bekomme ich Applaus auf freier Strecke - so etwas habe ich auch noch nicht erlebt. Rad fahrendes Volk eben, dass genauso wenig mit den Bergen geübt ist wie ich.
Gegen Mittag erreiche ich endlich den Mirador Cruz del Condor. Alle Reisebusse sind mir inzwischen schon wieder auf dem Rückweg entgegen gekommen und die Händler haben ihre Sachen eingepackt und warten darauf, dass sie abgeholt werden. Zu spät! Morgens sind die günstigen Aufwinde. Die Landschaft bleibt, auch wenn das Licht nicht mehr optimal ist. Und als täten sie es, um meine Anstrengung zu hononieren, ziehen doch noch einige Kondore ihre Kreise, auch wenn sie dem Aussichtspunkt nicht ganz so nahe kommen.

Die Aussicht vom Mirador Cruz del Condor

Es immer wieder schade, dass Fotos die Größe der Landschaft nur andeutungsweise wiedergeben können

Und es gibt sie doch, die Condore, die ueber dem Mirador del Condor kreisen :-)

Der Morgen nach Tour in den Canyon de Colca ist nicht besonders aufbauend. Ich fühle mich total gerädert und habe den Verdacht, mich in den letzten Tagen überanstrengt zu haben oder in der prallen Sonne der Schlucht dehydriert zu sein. Nur drei Liter habe ich über den Tag verteilt getrunken, wahrscheinlich viel zu wenig.
Auf keinen Fall ist daran zu denken, den 1200m-Aufstieg aus Chivay heraus auf 4800m selbst zu fahren. Also Sachen packen, zum Busbahnhof und ein Ticket nach Arequipa lösen und die Serpentinenstrecke aus dem Sessel betrachten: gute Entscheidung. Die Fahrt geht durch hochandine Landschaft, wenige Menschen, viele Alpakas, ein wenig Schnee und immer kargerer Bewuchs. Die Entscheidung, mit dem Bus zu fahren erweist sich für mich ein zweites Mal bei der Ankunft in Arequipa als goldrichtig. Die mit 800.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Perus hat endlose, unübersichtliche und staubige Vororte - die Vorstellung mit dem Rad hier durch zu müssen und das bei dem Großstadtverkehr...

In Arequipa findet sich zentrumsnah schnell ein Hostal und ich bekomme Gewissheit über meine eigene Fehldiagnose. Ich habe mir schlicht eine Magen-Darm-Infektion zugezogen. (Ich verweise auf den Abschnitt über das Essen - ich habe zwei Hauptverdüchtige.) Auch nichts Kritisches und nach einem Tag muss der Magen wieder nehmen, was er so bekommt.
Arequipa ist eine Stadt mit langer kolonialer Geschichte, die das Bild des Stadtzentrums prägt, obwohl es immer wieder von Erdbeben zerstört wurde. Die Verursacher sind von der Plaza aus gut zu sehen, gewaltige Schnee bedeckte Vulkane.

Weißes Vulkangestein dient als Baumaterial im Zentrum der Stadt. Im Hintergrund die unvermeidliche Kathedrale an der Plaza de Armas

Mitten in der Stadt liegt auch die bedeutendste Sehenswürdigkeit von Arequipa, das Kloster Santa Catalina. Schon sehr bald nach der Stadtgründung durch die Spanier schickte der spanische Adel hier seine Töchter her, um ein nicht ganz so spartanisches Leben hinter den Klostermauern zu führen. Ueber 20.000 qm erstreckt sich die sehr schön erhaltene und geplegte Anlage und verleitet zum Bummeln, Entspannen und Fotografieren.

Einer von mehreren Kreuzgängen im Kloster

Verwinkelt, bunt gestrichen, das Zusammentreffen unterschiedlicher Baustile...

Neben der großen Gemeinschaftsküche hatte jede Nonne in ihrem Reich eine eigene Küche - mit Personal

Noch ein bisschen flau in der Magengegend, entscheide ich mich auch für die Weiterfahrt mit dem Bus, zumal die Gegend in Richtung Puno nicht so viel Interessantes verspricht. Ausflüge in der "Umgebung" sind schnell mal 250 km entfernt oder es geht auf die Vulkane. Nichts für mich. Der Plan, auf halbem Weg nach Puno auszusteigen und über Nebenstrecken weiter zu fahren, scheitert daran, dass es auf halbem Weg keine Stopp gibt. Also fahre ich bis Juliaca, 44 km vor Puno am Titicacasee.

Anscheinend dienen ausgedorrte Radfahrer hier in der Universität von Arequipa als Model für die Kunststudenten :-?

Am Lago Titicaca

Sinngemäß zitiert der Lonely Planet einen "diplomatischen" Einheimischen, der sagt, wenn Cusco der Nabel der Welt sei, dann ist Juliaca der A... die Achselhöhle. Und der Ort ist in Wirklichkeit viel schlimmer - wiedereinmal schönt der Reiseführer die Realität. Aber es kommt für mich noch ein Stück dicker. Nach dem Ausladen aus dem Bus stelle ich fest, dass der Gepaeckträger schleift. Erst vermute ich, eine Schraube ist herausgeklötert, aber der Schaubenkopf ist abgerissen und das Gewinde steckt im Rahmen und lässt sich nicht herausdrehen. Einen Schlosser zu finden ist nicht so schwer, die gibt es hier zuhauf. Aber einen Schlosser finden, der eine Handbohrmaschine besitzt, noch dazu mit passendem Bohrer... Nach einem Gewindeschneider traue ich mich überhaupt nicht erst zu fragen. So fällt die "Reparatur" recht grob und für den Eigentümer schmerzhaft aus - nicht finanziell, denn die halbe Stunde und der abgebrochene Bohrer kosten 1,50 Euro.
Die Suche und die Reparatur haben es jedenfalls so spät werden lassen, dass ich gegen meine Absicht hier übernachten muss. Erst am nächsten Tag fahre ich auf der Hauptstraße weiter, besuche die Nekropole von Sillustani und lande dann auf der eingangs erwähnten Halbinsel Capachica.

Jahrtausende alte Gräbertürme in feinster Handarbeit überragen die Landschaft.

Einer muss ja immer ins Bild laufen...

Puno

Irgendwie habe ich dass Gefühl, mein Fahrrad will mir signalisieren, dass ich zuviel Gepäck mit mir herumschleppe. Nur zwei Tage nach der abgerissenen Schraube am Gepäcktraeger stelle ich heute auf der Fahrt von Capachica nach Puno fest, dass eine weitere Halterung des Gepäcktraegers gebrochen ist. Diesmal eine angeschweisste Gewindeöse. Auf der anderen Seite ist das Teil auch schon eingerissen. Und das Ganze bei einem Alurad! Zum Glück ist Puno recht gross und ich werde von Schlosser zu Schlosser geschickt - mal wieder immer in entgegengesetzter Richtung, bis ich endlich Erfolg habe und eine Werkstatt finde, die Alu schweissen kann. Wieder so eine grobe, schmerzhafte Reparatur (der Fahrradhersteller wirbt mit den feinen, "smooth welded" Nähten am Rad) - hoffentlich hält sie.
Der Nachmittag war dann noch einem Ausflug mit dem Boot auf die schwimmenden Insels der Uros im Titicacasee gewidmet. Alles - einschließlich des schwimmenden Untergrundes der Inseln - ist aus dem üppig wachsenden Schilf gemacht. Und alles ist auf Tourismus ausgerichtet, denn Puno ist nach Cusco der bedeutendste Touristenort Perus und die Uros nur eine halbe Stunde vor der Stadt. Was von dem Leben der Menschen noch authentisch ist, vermag ich wirklich nicht einzuschätzen.

Eine schwimmende Gemeinschaft auf dem hier sehr flachen Titicacasee

Die traditionelle Fortbewegungsmethode auf dem See - die Motorboote der Familien liegen ein bisschen vor den Augen der Touristen versteckt

Heute habe ich den schnellen Internetzugang hier in Puno für ein paar Bilder und ein bisschen mehr Text genutzt. Von hier werde ich weiter am Seeufer entlang fahren und melde mich demnächst wieder aus Bolivien.