Der heilige Schrein von Shah-e-Cheragh

Eigentlich habe ich schon keine richtige Lust auf noch mehr alte Gemäuer, Heiligtümer und, und, und
Erstmal zurück ins Hotel, bisschen ausruhen. Naja, auf dem Stadtplan ist ein schönes Foto des Schreins von Shah-e-Cheragh. Keine Ahnung wer das war, aber zur blauen Stunde noch schnell vor dem Abendessen ein paar Fotos machen geht wohl noch. Liegt ja auch nur ein paar hundert Meter entfernt. Ist dabei aber ziemlich unscheinbar und ich laufe erstmal an  dem Eingang vorbei. Zu erkennen in der Dämmerung eigentlich nur an den riesigen Flutlichttürmen in dem Häusermeer. Ich komme an und dann ist alles anders als sonst. Kein Eintrittsgeld, dafür aber eine Sicherheitskontrolle. Fototasche, Wechselobjektiv und Stativ werden nicht akzeptiert und ich werde zu einer Öffung in der Wand geschickt, wo alles verwahrt werden soll. Na super, da kann ich ja auch gleich draußen bleiben. Wie gesagt, Moscheen habe ich schon reichlich hinter mir und auf eine mehr oder weniger kommt es dann auch nicht mehr an. Keine Ahnung warum, aber der Mann an der Gepäckaufbewahrung hat irgenwie das Bedürfnis, mir zu helfen. Gespräch mit dem Sicherheitsmann. Nichts zu machen. Dieser telefoniert und nach 5 - 10 Minuten erscheint in würdiger Kleidung ein Mann mit breiter Schärpe mit der Aufschrift "International Affairs" - jetzt wird mein Besuch schon zu einer internationalen Angelegenheit. Er erklärt mir, dass die Sicherheitsvorkehrungen dazu dienen, Anschläge zu vermeiden, er wird mich aber begleiten und mir auch alles erklären und meine Ausrüstung darf ich auch mitnehmen. Super! Mein Begleiter heißt Said, hat in Indien IT studiert und unterrichtet an der Uni von Shiraz. Dies ist ein freiwilliger Dienst, den er leistet. Er erklärt mir, dass der Bruder des 8. Imam Reza hier ums Leben kam und begraben wurde............. So weiß ich zumindest ansatzweise, warum diese Anlage entstanden ist. Ich habe schon vieles auf meinen Reisen gesehen, was jetzt kommt, hat mir allerdings in seiner Pracht die Sprache verschlagen - und das kommt selten vor! Nur ein paar Fakten. Allein der kürzlich fertiggestellte Erweiterungsbau fasst 10.000 Gläubige, die Gesamtanlage 200.000 Menschen und ist damit die zweitgrößte Irans. Bis auf den besagten modernen Erweiterungsbau sind alle anderen teilweise Jahrhunderte alte Bauten von innen komplett mit Spiegelmosaiken ausgekleidet. Je neuer, desto filigraner. Die Eingangstür zum Hauptschrein ist mit massivem Gold beschlagen, innen vieles mit Silberreliefs. Es ist wirklich nicht in Worte zu fassen und auch Bilder können nur einen schwachen Eindruck vermitteln, zumal die ganzen Spiegel jeden Kameratechnik an ihre Grenzen führt. Ich versuche es trotzdem mit einigen Bildern.

Mehr als dieses Bild hatte ich eigentlich nicht erwartet. Viele Menschen sind in der Anlage, die Atmosphäre ist aber sehr entspannt und fast fröhlich

Bevor wir reingehen, noch eine weitere Außenansicht

Spiegelmosaiken, Gold, Silber und Kronleuchter bringen die Kamera und mich zur Verzweiflung - da muss noch nachgearbeitet werden. Tatsächlich ist es viel heller und auch nicht so sehr ins Goldfarbene

Es müssen hier Millionen Spiegelscherben verarbeitet worden sein!

Überall sind Gläubige Moslems im Gebet versunken und lassen sich auch nicht von den wenigen Touristen stören

Ein von Mushahedin nach der islamischen Revolution getötetes Regierungsmitglied hat hier in einem Schrein auch seine letzte Ruhestätte gefunden

Ich hätte da noch ein paar mehr Fotos, es soll jetzt aber reichen von Spiegelgewölben

Einen architektonischen Kontrapunkt setzt der neue Erweiterungsbau für 10.000 Menschen - der Kronleuchter wiegt vier Tonnen. Wollen mal hoffen, dass Statik und nicht Gottvertrauen bei der Planung im Spiel waren

Die Schlichtheit dominiert hier

Man muss das Ganze nicht mögen und alles ist schließlich Geschmackssache. Bei aller Pracht und orientalischen Verspieltheit sind die Räume hell und nicht so düstern und einschüchternd wie in christlichen Gotteshäusern. Und völlig zu recht fragt mich Said, ob ich mir vorstellen könne, dass Kinder so fröhlich und ausgelassen in deutschen Kirchen zwischen den Betenden spielen dürften. Und so unrecht hat er ja nicht. Automatisch fängt man in unseren Kirchen an zu flüstern ändert irgendwie sein Verhalten. Wie selbstverständlich und natürlich ist das Verhalten der Menschen hier.
Zum Abschluss gehts dann noch in einen Raum für die internationalen Gäste. Getränke, Süßigkeiten, bisschen rumblödeln, Eintrag ins Gästebuch und natürlich noch ein hochoffizielles Erinnerungsfoto und ich bekomme zum Abschied auch noch einen Umschlag mit einer Winterfotografie der Anlage im Schnee.

Die Stimmung war nicht halb so steif wie das Bild. Zusammen mit anderen "Offiziellen" hatten wir noch viel Spaß

Genug der Moscheen und Paläste. Einige habe ich noch besucht, es soll hier aber reichen, auch wenn ich trotz allem, was ich schon gesehen habe, wieder fasziniert war. Wenn man schon in Shiraz ist, muss man natürlich auch die berühmten alten persischen Gärten besuchen. Diese haben mich allerdings nicht so in ihren Bann gezogen. Sehr gepflegte Parkanlagen in einer Großstadt eben. Morgen ist Schluss mit Müßiggang. Dann setze ich mich wieder auf meinen Drahtesel und fahren auf Nebenstrecken durch die Berge in Richtung Norden - Said meinte noch, dort könnte ich nicht zelten, weil es dafür schon viel zu kalt sein wird: Nachts um die vier Grad. So unterschiedlich kann man Temperaturen empfinden - für mich Wohlfühltemperatur...

Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich meine ursprünglichen Pläne gleich in den ersten Tagen über den Haufen geworfen habe? Eigentlich wollte ich von Shiraz nach Bam fahren, um mir dort die alte Lehmfestung anzusehen, die sich allerdings nach einem schweren Erdbeben vor gut zehn Jahren noch immer im Wiederaufbau befindet. Außerdem hatte Nik mir davon abgeraten, weil die Gegend von Schmugglern in Richtung Pakistan unsicher gemacht wird und schießlich hatte ich von meinen ersten Wüstenerfahrungen noch genug - und nach Bam wäre es endlos durch die Wüste Lut gegangen - und es ist mir selbst hier noch immer viel zu heiß. Also neuer Plan: Durch die Berge immer Richtung Norden bis ans Kaspische Meer.
Und damit kommen neue Herausforderungen auf mich zu. Da sind zum einen die Berge, zum anderen die Temperaturen. Immerhin habe ich es weitgehend geschafft, die Hauptstraßen hinter mir zu lassen, dafür geht es nur noch rauf und runter - gefühlt wesentlich mehr als rauf als runter. Und das alles bei mindestens 30 Grad - Schatten gibt es nicht, sofern ich den nicht selbst auf das Termometer am Lenker werfe. In der Sonne sind es dann auch schon mal gern 40 Grad. Und dabei sind die vier heißen Monate doch vorbei...
Meine Tagesetappen werden kürzer, dafür nimmt die Zahl der Höhenmeter zu. Ich bin froh, wenn 80km im Schnitt schaffe und komme dabei immer locker auf 1000 - 1500 Höhenmeter, mit Steigungen von bis zu 14% - kein Spaß bei der Wärme. Ich käme gut mit der halben Gradzahl und kurzer Hose klar - beides gibt es hier aber nicht!

Berge soweit das Auge reicht - und ausnahmsweise auch mal ein paar Wolken

Es gibt auch richtige Berge, nicht nur Hügel. Der höchste Gipfel der Bergkette im Hintergrund ist über 4400m hoch!

Die Landschaft wirkt jetzt im Herbst ziemlich verbrannt. Aber wo immer es Wasser gibt, wird Landwirtschaft betrieben und so ändert sich das Landschaftsbild immer wieder. Vor ein paar Tagen kam ich durch eine Gegend mit ausgedehnten Steineichenwäldern. Da lag am Straßenrand für meine Begriffe ein riesiges überfahrenes Wildschwein - auch nicht gerade beruhigend, wenn man hier nachts sein Zelt aufschlägt... Aber bisher war alles gut. Nur einmal hörte ich in der Ferne eine Fuchs oder ähnliches heulen und vom Eindruck direkt neben meinem Zelt anwortete eine ganze Familie - Gänsehaut!

Fladenbrot und Reis sind hier Grundnahrungsmittel, deswegen auch die ausgedehnten Reisfelder (ich kann bald keinen Geflügelkebab mit Reis mehr sehen :-))

Die Erntemethoden unterscheiden sich: Entweder modern und maschinell oder...

...wie vor Jahrhunderten immer im Kreis mit dem Esel

Hier auf dem Land geht es ohnehin teilweise noch sehr archaisch zu. Wenn man die modernen Großstädte gesehen hat, fühlt man sich hier in ein anderes Land und in eine andere Zeit versetzt. Es sind sehr viele Wanderhirten und auch Nomaden unterwegs - auch Bilder, die vor Jahrhunderten ganz ähnlich ausgesehen haben müssen.

Immer wieder und überall sind Schafherden unterwegs, sowohl auf den kahlen Hügeln wie auch auf den abgeernteten Feldern

Nicht immer ganz so malerisch sehen die Familienunterkünfte der Hirten aus

Ein Nomadentross auf der Straße. Vorneweg die Männer auf Pferden und mit den Kamelen...

...gefolgt von den Frauen auf den Eseln...

...und die Nachhut bilden die Kinder auf Eseln und die Hunde

Nicht geändert hat sich die Freundlichkeit der Menschen. An einem Tag fragte ich zweimal nach Wasser und bekam beide Male eine Einladung zum Essen (Was gab's? Natürlich Reis mit Huhn!) Und hier ist gerade Erntezeit für alles gleichzeitig. Zwei Tage fuhr ich durch eine Gegend mit Apfelplantagen. Ergebnis: Von vorbeifahrenden Menschen hatte ich innerhalb dieser beiden Tage ca. 12 Äpfel zugesteckt bekommen. Sonst werden mir auch mal Granatäpfel, Brot, Sonnenblumenkerne oder anderes einfach so geschenkt. Was anfangs noch ganz nett war, geht mit der Zeit doch ganz schön auf die Nerven, nämlich dass so viele meinen, freundlich zu einem sein zu müssen, was sich meistens in elendem Gehupe oder irgendwelchen aufmunternden Worten äußert, die einem aus dem fahrenden Auto zugebrüllt werden.

Tagesausbeute in einer Apfelgegend - die Menschen müssen offenbar glauben, dass die Früchte viel Radfahrenergie enthalten

Inzwischen bin ich nach meinem Bogen in den Süden wieder etwa auf Höhe von Isfahan angekommen, fahre aber westlich an der Stadt vorbei. Schwierig ist es mit Unterkünften, weswegen ich meistens möglichst versteckt in der Natur zelte. Einziges Problem ist dabei immer nur das Wasser. Nachmittags rechtzeitig ca. 8 Liter bunkern, das reicht für die Nacht und die erste Etappe am nächsten Tag. Alle paar Tage muss es dann aber doch mal eines der wenigen Hotels in der Gegend sein, um den Staub und das Salz von der Haut und aus der Kleidung zu bekommen. So auch heute, da ich in einem schicken Hotel sitze und das WLAN für diesen Bericht nutze.

Gestern Abend bin ich Hamadan angekommen. Es ist Halbzeit meiner Iran-Reise und hinter mir liegen gut 2000 km und 16.000 Höhenmeter. In den letzten beiden Wochen bin ich ziemlich viel gefahren und die Beine verlangen dringend nach einem Ruhetag. Wenn ich sage, dass ich durch die Provinz gefahren bin, trifft es nur bedingt den Kern, denn bei uns würde wohl keiner auf die Idee kommen, Städte mit einer halben Million Einwohnern als Provinz zu bezeichnen. Diese Größenordnung verbirgt sich hinter Namen wie Arak oder Hamadan. Dazu kommen zahlreiche kleinere Städte. Vielleicht bin zu von Isfahan, Yazd und Shiraz zu verwöhnt, aber soviel Reizvolles bieten diese Städte nicht. Insbesondere Arak mit seiner riesigen Stahl-, Aluminium-, Maschinenbauindustrie und dazu außerhalb noch gigantische Kraftwerks- und Raffinerieanlagen ist kein Ort, der viel für das Auge zu bieten hat. Hamadan sieht da schon ein bisschen freundlicher aus und den Ruhetag verbringe ich damit, mir die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu erlaufen.

Die große Ausnahme: Camping verboten

Ein kleines Problem ist immer die Unterkunft in den Städten. Die Iraner sind viel im Freien unterwegs und es wird auch gern gezeltet. Allerdings mitten in der Stadt in Parks oder auf Grünstreifen, teils sogar direkt am Fahrbahnrand. Diese Standorte gelten ihnen auch als sicher. Ist nicht unbedingt meine erste Wahl. Am liebsten schlage ich mein Zelt irgendwo in der Natur auf, wo mich keiner sieht und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keiner mehr vorbeikommt. Einen Campingplatz habe ich bisher noch nicht gesehen. Deswegen ziehe ich in den größeren Städten Hotels vor - auch wegen der Möglichkeit, mal wieder den Staub aus den Klamotten und von der Haut zu bekommen. Ist nicht immer ganz einfach, denn auch Städte mit 50.000 Einwohnern haben nicht unbedingt ein Hotel und in Arak musste ich mit einer sehr einfachen Unterkunft ohne Dusche vorlieb nehmen, weil kein Hotelzimmer zu bekommen war - wie gesagt, eine Stadt mit mehr als 500.000 Einwohnern. Eine Dusche gab es ca. 100m weiter - heißt hier hamame omomi und ist eine öffentlich Dusche - sehr speziell...

Überall entstehen solche Trabantenstädte - ein Zeichen für eine wachsende Bevölkerung und Landflucht

Nach wie vor bin ich immer wieder überwältigt von der Freundlichkeit und der Gastfreundschaft der Menschen. Dazu zwei kleine Beispiele. Die Nacht hatte ich in der Nähe der kleinen Ortschaft Ben verbracht und mich am Freitagmorgen - hier das Wochenende - rechtzeitig auf die Piste gemacht. Nach etwa zwei Stunden hält ein größerer SUV mit einer vierköpfigen Familie an. Es folgt das Übliche: Woher, wohin, Fotos... Ich versichere, dass ich wirklich nichts gebrauche und wir verabschieden uns. Ein paar hundert Meter weiter hält der Wagen erneut und Saeid - das Familienoberhaupt - fragt, ob ich nicht Lust hätte, am Fluss gemeinsam mit seiner Familien zu picknicken. Passt gut, den Fluss werde ich wohl so um die Mittagszeit erreichen und bin mal nicht auf den Inhalt meiner Taschen oder einen Imbiss an der Strecke angewiesen. Am Fluss sind dann viele Familien beim Picknick, weit und breit allerdings ist der auffällige Geländewagen nirgends zu sehen. Dann also nicht, und ich setze meine Fahrt fort. 10km weiter ist dann aber doch mal eine Rast nötig und während ich an der Straße sitze, taucht Saeid auf. Er hätte mich schon überall gesucht und die Familie warte auf mich. Fahrrad und Gepäck ins Auto und zurück, etwa 20 km in entgegengesetzter Richtung. Dort hatte sich die gesamte Großfamilie versammelt und jetzt wird erstmal reichlich aufgetischt (natürlich auch Huhn mit Reis...).

Für so einen Familienausflug gibt es kaum etwas Interessanteres als einen deutschen Radfahrer als Gast auf der Decke

Nach dem Essen hat Saeid das dringende Bedürfnis, mir noch die Sehenswürdigkeiten der Umgebung zu zeigen: Die Quelle des Flusses, den Kuhrang Wassertunnel und einen Wasserfall. Damit ist der Tag (auch für die Familie) gelaufen und danach lohnt es sich nicht mehr, weiter zu fahren und ich schlage mein Zelt für eine eisige Nacht am Fluss auf. Erstmals muss ich in den Schlafsack kriechen und ihn nicht nur als Decke gebrauchen. Morgens zeigt das Thermometer am Fahrrad 3 Grad - es wird Herbst.

Angeblich eine der besten Trinkwasserquellen der Welt. Und tatsächlich schmeckt das klare Wasser, das hier aus dem Berg sprudelt, herrlich

Aber nur 50m weiter ist der Fluss von den vielen Ausflüglern schon total vermüllt und auch eine nahe Forellenzucht trägt nicht zur Verbesserung der Wasserqualität bei.

Wenn man sich mal für eine Zeit wie ein Promi fühlen möchte, muss man nur mit einem voll bepackten Fahrrad, rotem Trikot und Helm durch eine iranische Kleinstadt fahren. In Großstädten geht man in der Anonymität der Masse unter. Das Extrem dabei war die Stadt Khomein, durch die ich um die Mittagszeit kam und wo ich mich ca. 1 1/2 Stunden aufgehalten habe. Der Ortsname lässt es schon erahnen, hier wurde einer der ganz Wichtigen geboren: Emam Khomeini, wie er hier genannt wird.

Das Bild Khomeinis ist im Land allgegenwärtig, aber hier wurde er geboren

Eigentlich will ich nur ein schnelles Bild von dem Begrüßungsplakat machen und halte dafür in einem Kreisverkehr an. Das erste Auto stoppt auf meiner Höhe, der Fahrer reicht mir eine handvoll Bonbons heraus. Weitere Fahrzeuge halten an, die große Neuigkeit, dass da ein Radfahrer aus Deutschland unterwegs ist, der gerade aus Shahr-e Kord kommt und in Richtung Theheran weiter will, wird wichtig weitergeben. Bevor der Verkehr hier vollends zusammenbricht, setze ich meine Fahrt in Richtung Zentrum fort. Ein Besuch im Geburtshaus ist selbstredend Pflichtprogramm.

Im Ortszentrum ist das Geburtshaus Khomeinis nicht zu verfehlen

In diesem Haus wurde Khomeini geboren und verbrachte seine Kindheit

Eine eher schlicht gehaltene Gedenkstätte mit einem angegliederten größeren Schulungs- und Tagungskomplex

Ich hatte einen wesentlich größeren Personenkult erwartet

Etwa 20 Fotos später - die vom Personal von mir gemacht wurden, andere Besucher waren nicht dort - verlasse ich das Gelände wieder. Jetzt erstmal was Essen. Nein, kein Huhn mit Reis, sondern in einem der vielen Fastfood-Imbisse ein Falafel-Sandwich und eine fritierte Teigtasche. Ein ganz gut englisch sprechender junger Mann gesellt sich dazu und gibt alle Erkenntnisse, die er mir entlockt, an die Runde in dem kleine Lokal weiter. Ein anderer Mann kommt zur Tür herein, stellt mir ein riesiges Glas Honig als "Souvenier" auf den Tisch und verschwindet sofort wieder. Bezahlen? Nein, ich bin selbstverständlich Gast des Hauses und es folgt noch eine Einladung meines Gesprächspartners zu sich nach Hause, die ich aber ablehne, weil er außerhalb in entgegengesetzter Richtung wohnt und der Tag dann komplett gelaufen wäre.
So, jetzt noch schnell ein paar Lebensmittel für die kommende Nacht und das obligatorische Safraneis als Nachtisch kaufen. Geht aber nicht ohne einen Tee, eine Einladung des Ladenbesitzers zu sich nach Hause (auch abgelehnt) und eine Flasche gefrorenes Mineralwasser ab, da mein Wasser nach seiner Meinung viel zu warm zum Trinken ist. Jetzt aber nichts wie weg hier - die Menschen erdrücken einen ja förmlich mit ihrer Aufmerksamkeit. Ich bin der festen Überzeugung, man kann bei uns nicht mehr Aufsehen erregen, wenn man sich in einer Kleinstadt nackig macht, sich grün anmalt und durch so durch die Fußgängerzone läuft - nur dass hier keiner die Polizei ruft. :-)

Iran ist ein Vielvölkerstaat mit zahlreichen unterschiedlichen Sprachen - ist mir völlig egal, da ich keine davon auch nur ansatzweise verstehe -, aber auch unterschiedlichen Sitten und Gebräuchen und teilweise mit unterschiedlicher Kleidung. Auf dem Weg nach Khomein bin ich durch die Provinz Lorestan gekommen, in der die Loren die Bevölkerungsmehrheit haben. Die Männer tragen auch heute noch überwiegend sehr weite Pluderhosen und ein spezielle Kopfbedeckung.

Hochzeitsgesellschaft am Straßenrand mit Musik, Gesang und Tanz - plötzlich ist Schluss und alle eilen zu den Autos und brausen mit Hupkonzert davon - andere Länder, andere Sitten

Die Loren haben offenbar auch eine andere Schafrasse, die bunter, größer und kräftiger ist als die tausenden Schafe, die ich bisher gesehen hatte. Schafe sind meistens undankbare Fotomotive, wenn man die Kamera zückt, suchen sie schnell das Weite. Ein besonders imposanter Schafsbock am Straßenrand ließ mich doch einmal mein Glück versuchen.

Hoffentlich läuft er nicht weg, bevor das Bild im Kasten ist...

...hoffentlich kommt er nicht noch näher, bevor die Kamera wieder in Sicherheit ist! :-)

Übringens: Der Freitag ist kein guter Tag für Schafe...

Inzwischen habe ich Hamadan erkundet und bin mir sicher, dass der eine Ruhetag hierfür ausreichend ist. Irgendwie ist das Stadtzentrum wuseliger und speziell abends auch ein ganzes Stück finsterer. Das mag sicher an der hier im Gegensatz zu vielen anderen Städten sehr sparsamen Beleuchtung liegen. Zum anderen sind überall in der Stadt tausende schwarzer Flaggen aufgezogen und riesige Plakate mit dem Konterfei eines Armeegenerals aus der Stadt angebracht, der vor einigen Tagen als Berater der syrischen Armee im Krieg gegen den Islamischen Staat ums Leben gekommen ist. Aber auch die Ratten, die bei hereinbrechender Dunkelheit auf dem zentralen Platz trotz tausender Menschen zahlreich aus der Kanalisation kriechen und nach heruntergefallenen Speiseresten suchen, machen die Stadt nicht unbedingt sympathischer. Morgen steige ich wieder auf mein Rad und fahre nach Ali Sadr. Ich werde berichten.

Der Meydan-e Emam Khomeini ist das Zentrum der Stadt. Er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von einem deutschen Architekten entworfen und ist bis heute weitgehend unverändert - ob es die Ratten damals hier schon gab, weiß ich allerdings nicht

Auch nach mehr als 1000 Jahren unvergessen und hochverehrt, der Arzt und Universalgelehrte Ibn Sina - nicht nur diese Statue, sondern auch ein monumentales Denkmal erinnern an ihn

Und was hat hier wohl gerade Erntezeit?

Auf dem Tiefpunkt angekommen

Am Strand des Südufers des Kaspischen Meeres angekommen

Am Kaspischen Meer

Die Überschrift diese Kapitels ist sprachlich wohl nicht so ganz sauber oder zumindest missverständlich. Ich bin nicht in irgendeiner Weise auf dem Tiefpunkt, sondern habe heute das Kaspische Meer erreicht und das liegt nun einmal 28m unter Normalnull. Und damit habe ich auf jeden Fall den tiefsten Punkt meiner Reise erreicht. Nachdem ich mich in den ersten gut vier Wochen meiner Tour überwiegend in Höhen zwischen 1500 und 2500m aufgehalten habe, kommt der Höhenmesser seit gestern kaum noch aus den negativen Zahlen heraus. Aber schön der Reihe nach. Meinen letzten Bericht hatte ich in Hamedan geschrieben und mich von dort in Richtung Ali Sadr verschiedet. Aber bevor ich von dort berichte, will ich noch zwei Fotos des in Syrien ums Leben gekommenen Generals nachschieben, die mich seither überall begegnen.

General Hamadani überlebensgroß in allen Städt - das Achteck steht übrigens für das Paradies

Und so schnell wird aus einem Berater im blutigen Bürgerkrieg ein Engel - ob das in seinem Sinne gewesen wäre, weiß ich allerdings nicht

Die Höhlen von Ali Sadr

Sie liegt auf meinem Weg in Richtung Norden fast direkt auf der Strecke, und da es hier nicht so viele Highlights gibt, lasse ich sie natürlich nicht aus, die riesige Tropfsteinhöhle bei Ali Sadr. Mit gutem Rückenwind bin ich schon am frühen Nachmittag an dem unscheinbaren Berg, unter dem das unterirdische Labyrinth versteckt ist. Aus der Ferne ganz unauffällig, als ich aber um den Berg herumfahre, komme ich das erste Mal auf dieser Reise in den ganz großen Touristenrummel. Verkaufsstände, Fressbuden, Bespaßung für die Kinder, Hotel und der ganze andere Zirkus, den man sonst von anderen Orten kennt. Dazu kommt ein für hiesige Verhältnisse unverschämt hohes Eintrittsgeld von 700.000 Rial oder 25 US-Dolloar - das höchste Eintrittsgeld, das ich bisher bezahlt hatte, lag bei 150.000 Rial! Der ganze Laden ist auf Massentourismus eingestellt und wirkt jetzt in der Nachsaison, in der sich kaum noch jemand hierher verläuft, ausgestorben und überdimensioniert. Am Eingang werden erstmal Schwimmwesten verteilt, dann geht es ein Stück zu Fuß unter die Erde, um dann in einen von einem Tretboot gezogenen Schleppverband aus kleinen Kähnen einzusteigen. Als die Fahrt zu Ende ist, bin ich einigermaßen ernüchtert - das solls schon gewesen sein? Flasch. Hier beginnt ein ein Kilometer langer Fußmarsch und es folgt dann eine weitere Kahnfahrt zurück zum Ausgangpunkt. Insgesamt eine beeindruckende Tour und ich bin noch nie in einer Tropfsteinhöhle gewesen, die man sich nur per Boot erschließen kann.

Zum Glück ist in der Nachsaison nichts mehr los - endlose Sitzreihen vor dem Einbooten, die heute zum Glück überflüssig sind

Mit dem Boot durch die Unterwelt

Natürlich wohin man guckt unheimliche viele bizarre Tropfsteinformationen

Ich hätte da noch ein paar mehr, aber damit soll es dann gut sein.

Es ist noch recht früh am Tag und der Wind ist günstig, deswegen setze ich mich auf mein Rad und bringe noch ein paar Kilometer hinter mich. Die Landschaft hat sich wieder einmal komplett geändert. Ein bisschen erinnert sie an die Uckermark ;-) Unendliche Weiten, leicht hügelige Landschaft und bis zum Horizont abgeerntete Getreidefelder. Schwer genug, hier in diesen Weiten einen geeigneten Platz zum Zelten zu finden - aber die Übung habe ich ja inzwischen. Es folgt ein weiterer Tag der langen Geraden und als ich abends wieder mein Zelt aufbaue, zieht ein mittelprächtiges Gewitter auf, das mich aber auch mit nur ein paar Regentropfen weitgehend verschont.

Eiskalt erwischt

Der nächste Morgen lässt nicht viel Gutes erahnen. Zwar trocknet die Sonne mein Zelt noch ganz gut ab, aber von Westen ziehen wieder Gewitterwolken auf. Auch die ersten Schauer mit Blitz und Donner ziehen noch an mir vorbei, dann kommt es aber ziemlich dick und ich muss alles an Regenschutz rausholen, was ich dabei habe. Und dabei kühlt es sich mächtig ab. Wahrscheinlich habe ich zuviel über die Hitze gestöhnt. Die letzten Tage waren mit Temperaturen gut über 20 Grad sehr angenehm, aber jetzt fahre ich bei 7 Grad im Dauerregen. Das wird nicht leicht, jetzt einen geeigneten Platz zum Übernachten zu finden, zumal auch der Wind ziemlich ekelig um die Ecke pfeift. Ich habe mich gerade mit ausreichend Wasser für die Nacht eingedeckt, als ein uralter Saipa Pickup anhält. Mit Hände und Füßen gibt mir der Fahrer zu verstehen, dass er mich und meine Ausrüstung mitnehmen möchte und er auch eine Übernachtungsmöglichkeit für mich hat. Nicht die schlechteste Alternative bei dem Sauwetter. Wie sich später herausstellt, bringt er mich aber nicht zu sich, sondern zu einem Freund, wo erstmal aufgetischt - oder sagt man hier aufgeteppicht? - wird, und wo ich bleiben soll. Immer neue Besucher kommen, um den Fremden zu sehen. Schließlich kommt Hamid dazu, 42 Jahre alt und seit fünf Jahren pensionierter Englischlehrer. Endlich wieder einmal jemand, mit dem man sich in ganzen Sätzen unterhalten kann. Er wurde genauso wie sein Cousin frühpensioniert als Mittel gegen die hohe Arbeitslosigkeit und macht einen total frustrierten und fast schon apathischen Eindruck.

Wieder einmal in großer Runde essen

Schließlich wird beschlossen, dass ich in der Nacht noch einmal umziehen soll und mit zu Hamid fahre. Soll mir auch recht sein, zumal mir dort ein eigenes Zimmer und eine heiße Dusche versprochen wird. Am nächsten Morgen erzählt mir Hamid, dass mein "Retter" nicht ganz so selbstlos war und er annahm, dass dieser noch Geld von mir gefordert hätte, zumal er mehrfach darauf bestanden hatte, dass meine Sachen bei ihm bleiben sollten. Hamid ist da ganz anders. Geld will er keines, aber ich soll ihm, seinem Cousin und seinem Schwager doch ungedingt helfen, nach Deutschland zu immigrieren - na dann. Die Zahl von erwarteten 800.000 Flüchtlingen in diesem Jahr beeindruckt ihn überhaupt nicht.
Irgendwie ist Hamid für mich der Stellvertreter für die vielen Menschen hier, die gut ausgebildet sind, für sich keine Perspektive sehen und nur irgendwie weg wollen - über seine Frau und die beiden kleinen Töchter hat er dabei mit keinem Wort gesprochen...

Bei strahlendem Sonnenschein fahre ich das kurze Stück nach Qazvin, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und miete mich dort in ein Hotel ein und nutze den Rest des Tages, mir die Stadt anzusehen, die überraschend viel Schönes zu bieten hat.
Übrigens hätte es mich mit dem Wetter deutlich schlimmer treffen können. In den Nachrichten desselben Abends werden Bilder von schweren Überflutungen gar nicht so weit entfernt gezeigt und von hohem Schnee auf den Straßen in höher gelegenen Regionen, aber auch gleich um die Ecke.

Am Morgen nach dem Unwetter: strahlend blauer Himmel und der erste Schnee auf den Bergen

Eines der Stadttore von Qazvin

Auch Qazvin hat einen Schrein, zu dem die Gläubigen pilgern...

...und der genau wie die Großen innen vollständig mit Spiegelmosaiken ausgekleidet ist.

Ich habe nicht herausbekommen, um welchen der vielen Prachtbauten es sich hier handelt

Eigentlich dachte ich, genug Basare gesehen zu haben und es kommen immer nur noch Variationen, die aber mit den sehr schönen, die ich schon besucht habe, nicht mithalten können. Irrtum! In Qazvin gibt es einen ganz "normalen" quirrligen Basar, wo die Menschen sich mit allem, was sie für den Alltag gebrauchen, eindecken und einen wunderschön renovierten alten Basar, in dem nur edle Geschäfte und Restaurants untergebracht sind und der gerade in den Abendstunden gern zum Schlendern genutzt wird. Bisher der schönste Basarkomplex, den ich hier gesehen habe!

Blaue Stunde in den Innenhöfen des Basars

Hier treffen sich auch gern Paare, die die Öffentlichkeit scheuen

Immer wieder neue Perspektiven

Der zentrale Platz im Innern - natürlich alles unter Kuppeldächern

Eine Security (nicht die Drei in Schwarz) sorgt für Ordnung und Sicherheit

Tausche Staub gegen Schlamm

Gerechnet hatte ich nach Qazvin mit einem richtig schweren Tag durch die Berge, um dann in den Küstenstreifen des Kaspischen Meeres zu kommen. Start bei 1200m, leichter Aufstieg auf 1500m und dann geht es 40km abwärts! Durch eine tiefe Kerbe in den Bergen führt eine Autobahn, die Nebenstrecke und eine Eisenbahnlinie (im Bau) immer am Fluss entlang hinunter. Mit einem Mal tauchen an den Berghängen echte, frei lebende Wälder auf! Dann Olivenplantagen! Und schließlich bin ich von üppig wucherndem Grün nach all dem Braun der vergangenen Wochen umgeben. Wasser gibt es hier um Überfluss und neben Reisfeldern sind Fischteiche angelegt, die Gegend ist das Hauptanbaugebiet für Tee in Iran und viele Sümpfe begleiten die Straßen.

Überall Tee - und das mir als überzeugtem Kaffeetrinker

Ja, man kann viele "schöne" Dinge aus Beton machen...

Wenn man sich das Tee trinken endgültig verleiden möchte (ist bei mir nicht nötig - Tee ist hier nur die Notlösung), sollte man sich einmal das nationale Teemuseum von Lahijan antun - zum Abgewöhnen. Man kann sich da bis zu 15 Minuten aufhalten.
Einen kurzen Ausflug in die Berge habe ich noch unternommen, um mir das Bergdorf Masuleh anzusehen, dass wie ein riesiges 3-D-Puzzle aussieht und bei dem das Dach des unterhalb gelegnen Hauses dem darüber liegenden als Vorhof dient. Nach der ganzen Trockenheit auf der Hochebene klebt die Luft hier regelrecht - 94% Luftfeuchtigkeit sagt die Wetter-App. Die Temperaturen jetzt im Herbst sind mit gut 20 Grad ganz angenehm. Allerdings habe ich vorher noch nie Flusskrebse zu Fuß auf der Straße gesehen - bei der Fahrt nach Masuleh schon! Bei der Fahrt in das auf fast 1000m Höhe gelegene Dorf habe ich auch den ersten ausländischen Wagen auf der Tour gesehen. Ein VW-Bus aus Zürich - woher auch sonst.

Das in den Berg hineingestapelte Dorf Masuleh - auch in diesem von Touristen gern besuchten Ort herrscht die fast schon als Nachsaisondepression zu bezeichnende Stimmung

Zurück aus den Bergen suche ich Rasht, der Hauptstadt der Provinz Gilan, eine Unterkunft. Wieder einmal hält mich ein Autofahrer an. Es ist Iman, der Vorsitzende des Radsportverbandes der Provinz, der mir mit einem kurzen Telefonat eine kostenlose Unterbringung in einem einfachen Hotel eines Freundes verschafft und gleich noch eine Adresse in Ramsar, wo ich jetzt für kleines Geld in einem anderen Hotel sitze.  Ich werde die nächsten Tage der Küstenstraße entlang des größten Sees der Erde (fast so groß wie die Ostsee aber wesentlich tiefer mit viel mehr Wasser) folgen und dann mal gucken, was in den letzten 2 1/2 Wochen noch zu schaffen ist. Hier jedenfalls hat das Unwetter der vergangenen Wochen deutliche Spuren hinterlassen. Durch die zahlreichen Flüsse aus den Bergen müssen riesige Flutwellen gegangen sein, was am Müll in den Bäumen am Ufer erkennbar ist und das Meer ist in Ufernähe trüb-braun und auch der Strand total vermüllt - da reizt so gar nichts zu einem Bad, obwohl die Temperaturen es schon noch zulassen würden. Ich glaube, das sehen die Einheimischen anders. Bei 23 Grad werden Kinder schon mal in dick gefütterte Jacken gesteckt :-)

Ich glaube, Sisyphos ist der Name dieses Menschen, der sich mit dem angespülten Müll am Strand des Kaspischen Meeres abmüht

Nicht aus dem Staub habe ich mich gemacht, sondern in den Staub. Nach mehreren hundert Kilometern entlang der Südküste des Kaspischen Meeres bin ich nach rechts abgebogen und durch das Elbursgebirge ins zentrale Hochland zurückgekehrt. Nachdem ich die Tropfsteinhöhle bei Ali Sadr besichtigt hatte, kommt hier in dem subtropischen Küstenstreifen eine auf dieser Reise ganz neue Erfahrung dazu: Ich habe im Zelt meine eigene Tropfsteinhöhle immer dabei. Die Luftfeuchtigkeit ist hier derart hoch, dass das Zelt morgens klatschnass ist und auch die Sonne sehr lange bebraucht, um es einigermaßen abzutrocknen. Keine 200 km weiter südlich, auf der anderen Seite des Elbursgebirges gibt es keine Luftfeuchtigkeit, die man als solche wahrnehmen könnte.
Über die Küste selbst kann ich nicht so viel berichten, weil ich sie im Grunde nicht gesehen habe. Zwar bin ich auf der Küstenstraße überwiegend in Sichtweite des Ufers gefahren, allerdings ist dieses über die gesamte Strecke fast durchgehend bebaut und verriegelt. Teheran liegt quasi um die Ecke und viele wohlhabende Teheraner haben hier ihr Urlaubsgebiet oder gleich ihr eignes Feriendomizil. Hier rollt schon mal eine Karosse mit einem Stern auf dem Kühlergrill und der Heckaufschrift CLK 500 AMG vorbei - kein Fahrzeug, das von Leben am Rande des Existenzminimums zeugt. Viele Glitzerfassaden, viel westliche Modelabel, aber auch viele Bauruinen. Iran zeigt sich hier von einer ganz anderen Seite, als ich es in den vergangenen Wochen kennen gelernt hatte.

Ein fast durchgängiges Straßenbild am Kaspischen Meer - insbesondere in den Regionen mit direkter Straßenverbindung nach Teheran

Schicke Appartementhäuser mit Blick über das Meer und direkt daneben rostet eine Investitionsruine vor sich hin, die vermutlich Opfer einer zeitweilig über 40% liegenden Inflationsrate geworden ist

Wie das vorherige Bild schon zeigt, gibt es hier auch reichlich Fast Food. Aber Augen auf bei den Markenprodukten - hier wird alles gefälscht! Wer findet den Fehler? :-)

Am vergangenen Freitag war Tasua, am Sonnabend Ashura. Ich glaube, das sind die Feiertage, an denen hungrige Radfahrer durchgefüttert werden müssen. Nein, im Ernst, es sind den Moslems wichtige Feiertage, mit denen des Todes Imam Hosseins und seiner Leiden gedacht wird. Hossein war der 3. Imam und ist neulich, 680 n. Chr., in Kerbela - auch damals war der Irak schon nicht sicher - umgebracht worden. Am Sonnabend ruht hier denn auch tatsächlich das gesamte öffentliche Leben und überall ziehen schwarze Prozessionen mit sich selbst geißelnden Menschen und lautem Tamtam durch die Straßen. Ganz so ernst können die Gläubigen die Sache dann aber auch wieder nicht nehmen, denn für ein Selfie mit dem radelnden Touristen schert man schon mal schnell aus dem Aufzug aus.

Was die Größe des Schellenbaums angeht, können unsere Funkenmariechen hier noch einiges lernen

Sieht zwar martialisch aus, wie sich die Männer im Takt der Trommeln mit Kettenbündeln auf den Rücken schlagen, hat aber gleichzeitig auch einen ziemlichen Eventcharakter

Die Aufzüge enden regelmäßig bei einer der vielen Moscheen, wo es dann Essen und Trinken für alle gibt - auch für den radelnden Deutschen, für den es einer nicht allzu großen Überredungskunst bedurfte, mit in die Moschee zu kommen. Zugegeben, ein bisschen komisch kommt man sich im roten Trikot zwischen all den schwarz gekleideten Männern schon vor. Ist aber für niemanden ein Problem. Insgesamt ist die Atmosphäre sehr entspannt und es werden erstmal Wasser, Tee und Huhn mit Reis - zur Feier des Tages mit Rosinen - aufgefahren. Alles betet und einer isst... Auch in der Moschee kommen noch ein paar Selfies dazu und nachdem ich die gesamte Geschichte des Imam Hossein in persischem Gesang gehört habe, verabschiede ich mich.
Zwei weitere Mahlzeiten, diesmal in Styroporverpackung zum Mitnehmen - chicken on rice to ride - nehme ich in diesen Tagen noch an. Einmal wird sie mir aus dem fahrenden Auto heraus gereicht, eine andere bekomme ich beim Einkauf drauf zu - es ist Ashura. Weitere Mahlzeiten lehne ich ab, schließlich möchte ich nicht irgendwann für ein Massengeflügelsterben in Iran zur Verantwortung gezogen werden.

Keinen Meter bekommt man geschenkt!

In Sari angekommen, habe ich mich schon ein ganzes Stück von der Küste entfernt. Ab hier geht es aber jetzt definitiv in die Berge. An einigen Stellen reichen die steilen Hänge des Elbursgebirges so nahe an die Küste des Kaspischen Meeres heran, dass aus den Städten Seilbahnen in die Berge führen - im Sommer baden und bergsteigen, im Winter Ski fahren und das alles auf wenigen Kilometern.
So ganz ohne ist der Gebirgsriegel zwischen dem Meer und dem zentralen Hochland nicht. Überragt der Damavand nahe Teheran mit 5671m die höchsten Alpengipfel doch mal locker um 800m, hinzu kommen zahlreiche Viertausender. Ich bin auf das Schlimmste gefasst und muss die 1500m Höhenunterschied auf 40km verteilt von der Abfahrt nun mit Zinsen zurückzahlen. In drei Tagen überquere ich die Bergketten und erreiche bei ekeligem Gegenwind nach 3500 Höhenmetern bei 2071m den höchsten Pass und rolle jetzt entspannt der Wüste entgegen. Meine Tropfsteinhöhle ist wieder trocken gelegt. Es ist unglaublich, wie sich das Klima und die Vegetation auf so kurzer Strecke verändern. Von den ergiebigen Regenfällen am Nordrand der Berge kommt hier nichts an. Der Wind treibt ziemlich große Staubwolken vor sich her.

Auch wenn die Tage mit Temperaturen von über 30 Grad noch einmal recht warm geworden sind, zieht auch hier inzwischen so etwas wie Indian Summer ein

Adab Soort

In den Bergen liegt fast auf meiner Route - die extra deswegen so gewählt habe - noch ein echter Geheimtipp, der auch den meisten Einheimischen nichts sagt und weder in meinem Reiseführer noch in der Karte eingezeichnet ist. Den Tipp habe ich gleich am zweiten Tag meiner Reise von Nik mit auf den Weg bekommen und ist bei dem langen Weg durch die Berge noch einmal eine echte Motivationsspritze. Badab Soort heißt der kleine, ziemlich versteckte Ort mitten in den Bergen, wo eine mineralhaltige Quelle bunte Sinterterrassen gebildet hat - kein Eintritt und fast menschenleer - ein Umweg der sich wirklich gelohnt hat.

Schillernde Farben der Ablagerungen vor Bergkulisse bei strahlender Abendsonne

Immer neue Perspektiven, immer neue Farben

Noch einmal mit Bergpanorama - weil die Sicht ausnahmsweise mal sehr gut ist...

Am Fuße des Berges habe ich übernachtet und bin wegen der Bilder in der Morgensonne noch einmal nach oben gestiegen - hat sich doch gelohnt, oder?

So, jetzt reicht's aber wirklich

Eines ist an diesem besonderen Ort allerdings schade und wird einem hier noch einmal eindringlich vor Augen geführt, nämlich, wie wenig das Umweltbewusstsein und ein Sinn dafür ausgeprägt sind, die Schönheit der Natur zu erhalten. An den allgegenwärtigen Müll werde ich mich genauso wenig gewöhnen wie daran, dass die Menschen hier überall herumlaufen und die empfindlichen Strukturen damit zerstören - aber auch das werde ich nicht ändern.

Sogar mit dem Moped fahren diese beiden bis in die Terrassen und richten damit jede Menge Schaden an

Nach sehr, sehr vielen Kilometern und vielen Höhenmetern verlangten Beine und Kopf ganz dringend nach einem Ruhetag - dem ersten seine Hamedan. Diese Pause habe ich in Damghan am Rande der Wüste eingelegt. Damghan liegt an der alten Seidenstraße und ist eine der ältesten Städte Irans. Ausgrabungen in der Nähe förderten Siedlungsreste zutage, die älter als 5000 Jahre sind. Natürlich habe ich hier wieder ein paar Moscheen beguckt - und auch Neues gelernt, z. B. dass die alten Ziegelminarette ursprünglich als Leuchttürme dienten, damit man die Städte in der endlosen Ebene leichter findet - und mich und meine Sachen ein bisschen gepflegt. Ich muss mir jetzt noch Gedanken über das Restprogramm machen, denn ca. eine Woche mit dem Rad gebe ich mir noch, dann noch ein paar Tage ausruhen und Sightseeing in Teheran und war's das schon wieder mit dem Urlaub.

Die kunstvoll gemauerten, über 1000 Jahre alten Minarette sind die Wahrzeichen von Damghan und dienten früher als Leuchttürme in der Wüste

Ich hätte da gern mal ein Problem...

Wer hat einen guten Rat für mich?

Eigentlich wollte ich mich ja nicht schon wieder melden, nachdem ich erst gestern die Erlebnisse der letzten Tage zusammengetragen habe. Aber jede Reise bringt neue Herausforderungen mit sich, und so brüte ich jetzt über einem Problem, für das ich noch keine richtige Lösung gefunden habe, weil ich damit hier am wenigsten gerechnet hatte.Deswegen jetzt dieser Hilferuf.

Für heute war leichtes Programm angesagt. Nur gute 60 Kilometer auf ebener Straße. Also habe ich es locker angehen lassen und wenn dann neben der Fahrbahn etwas scheinbar Interessantes lockt, gibt man der Neugier einfach mal nach. Ein paar hundert Meter abseits der Hauptstrecke zwischen Teheran und Mashhad entdecke ich einen recht modernen Bau mit einem riesigen Strauß als Blickfang auf dem Dach. Mein Interesse ist geweckt!

Gutes Marketing - weithinsichtbar ein riesiger Strauß auf einem modernen Bürogebäude

Ja, es ist tatsächlich eine große Straußenfarm mit 2000 Tieren und ich werde in der Anlage herumgeführt und kann mir alles ansehen. Offenbar ein lukratives Geschäft, denn hier wirkt alles ein bisschen gediegener, als ich es von den meisten anderen Orten bisher gewohnt war. Bei dem Rundgang wird mir auch noch eine kleine Mahlzeit angeboten, die ich gern annehme (ist vielleicht schon aufgefallen, dass Essen immer wieder ein wichtiges Thema ist), und mit Hähnchen mit Reis muss ich hier wohl auch nicht unbedingt rechnen. Bei den ausgewachsenen Tieren liegen ein paar Straußeneier in einem Gestell im Gang und meine Begleiterin fragt, ob ich schon einmal Straußenei gegessen habe. Habe ich nicht. Ob ich es denn einmal probieren möchte. Angesichts der in Aussicht gestellten Mahlzeit bejahe ich ein wenig zu voreilig und halte im nächsten Moment ein Straußenei in den Händen. Auch die dickes Ei! Und als wollten sie mich dann auch noch verhöhnen, werden mir zwei Hühnereier in die Pfanne gehauen, dazu Brot, Tee und Kaffee (!). Ich versuche das großzügige Geschenk zurückzugeben und argumentiere mit meinen Transportschwierigkeiten auf dem Fahrrad. Die gute Fee verschwindet und kommt nach einem kurzen Augenblick mit einer großen Plastiktüte zurück - Problem gelöst!

Das hätte aus meinem Geschenk eigentlich auch werden sollen...

Nun habe ich das Problem an der Backe. Einfach außer Sichtweite das Ei im Straßengraben entsorgen, bringe ich nicht über mich. Aber jetzt habe ich einige Fragen, auf die mir keine Antworten einfallen:
Wie lange kocht man ein Straußenei, damit es wachsweich ist?
Wie viele Portionen Rührei bekommt man aus einem Ei?
Wie hoch ist danach der Kolesterinspiegel?
Was kann man sonst noch mit einem Straußenei anfangen?
Wie soll ich es überhaupt mit meinem Campingkocher zubereiten?

Wie oft muss ein Straußenei beim Kochen gewendet werden, wenn es nicht in den Topf passt?

Für ein Spiegelei ist meine Pfanne jedenfalls definitiv zu klein

Vielleicht verpacke ich ja einfach nur ganz sicher und nehme es mit nach Hause - sind ja nur noch elf Tage. Aber bekommt man ein Straußenei im Handgepäck durch die Sicherheitskontrolle? Mit den 100ml Flüssigkeit wird das jedenfalls nix!

Auf jeden Fall haben wir hier mal wieder ein gutes Beispiel dafür, dass gut gemeint das genaue Gegenteil von gut gemacht ist, und ich stehe hier und weiß mir so keine richtigen Rat. Deswegen die Bitte an euch, mir doch gern ein paar konstruktive Vorschläge zu machen, was ich mit dem Ei anfangen soll. Ich bin gespannt auf eure Beiträge im Gästebuch :-)
Wenn ich selbst weiter zu lange drüber brüte, kommt vermutlich nichts Gutes dabei heraus, und das könnte so wie unten aussehen und hätte zur Folge, dass mein Gartenhaus umgewidmet werden muss. Und das will ja auch keiner...

Der Aufdruck der mir freundlicherweise zur Verfügung gestellten fahrradsicheren Eiertüte