Von Peru nach Bolivien

Von Puno bin ich in zwei Tagen auf guter, ebener Strecke nach Copacabana in Bolivien geradelt. Eine Übernachtung in einer grausigen Hospedaje der Gemeinde Pomata und zwei Reisebusse vor mir an der Ausreiseabfertigung in Kasani waren die einzigen Hindernisse auf dieser Tour immer am Ufer des Titicacasees entlang.

Das Letzte aus Peru...

Copacabana und Isla del Sol

Die Isla del Sol und die Isla de la Luna sind wohl neben den schwimmenden Inseln der Uros die Hauptattraktionen im Titicacasee, weil sie die wichtigsten Orte der Inka-Kultur eine Heimat gaben. Ausgangspunkt für die Fahrten auf diese Inseln ist der kleine und total vom Tourismus dominierte Ort Copacabana kurz hinter der Grenze zwischen Peru und Bolivien. Die Auswahl an Hostales ist groß und auch sonst findet sich hier alles, was der internationale Touristentross so sucht. Für kleines Geld (20 Bolivianos = ca. 2,30 Euro) buche ich die Fahrt auf die Isla del Sol - Nordspitze, von dort eine Wanderung über die Insel von ca. 3 Stunden zur Südspitze und mit einem anderen Boot zurück auf das Festland. Eins ist mir im Nachhinein sehr klar geworden: Das Marketing mit dem Inka-Hintergrund ist um einiges besser als das, was die Insel zu bieten hat. Landschaftlich ganz nett, aber was die Ruinen angeht, gerade wenn man aus Peru kommt, eine Enttäuschung. Ich nehme den Tag als Enspannung. Auf der Insel selbst ist auch noch ganz nett, dass man dreimal Wegezoll entrichten muss, weil sich die Inselgemeinden untereinander nicht auf eine einheitliche Gebühr einigen können.

Isla del Sol - wenn man kein ganz großes Interesse an der Mythologie der Inka hat, braucht man wegen der Ruinen nicht hinzufahren.

Aber man kann sich ja auch an anderen Dingen erfreuen...

Auf dem Weg nach La Paz

Copacabana macht einem den Abschied recht schwer - mit einem 400m Anstieg auf die umliegenden Berge. Auf halbem Weg zur Fähre, die mich über den schmalen Sund bringen soll, der den Titicacasee mit dem Lago de Huinaimarca verbindet, treffe ich auf ein französisches Paar, dass mit seinem Tandem auf einjähriger Weltreise ist und mir für La Paz ein paar gute Tipps mit auf den Weg gibt.  Dann die "Fähren" von San Pedro de Tiquina nach San Pablo! Ca. 20 Stück dieser motorisierten Wasserfahrzeuge, die eher als Pontons zu bezeichnen sind, liegen an beiden Ufern.

Es ist unglaublich, dass diese schwimmenden Brücken mehr Bewegung in sich haben als die Wasseroberfläche...

...aber dieses Bild gibt ein bisschen Vertrauen.

Es ist Mittagszeit und sehr wenig Verkehr und nur für mich allein setzt der Fährmann nicht über. Also lasse ich mein Fahrrad auf dem Boot und gehe erst einmal etwas Essen. Als ich zurück komme, nähert sich dann auch bald ein zweites Fahrzeug und mit der Kraft  eines der beiden Außenborder geht es in sehr gemütlichem Tempo auf die vielleicht 400m lange Überfahrt. Schwimmen geht schneller.
Gute 150 km sind es von Copacabana nach La Paz. Eigentlich ist es mir zu weit, um an einem Tag zu fahren. Aber der Wind ist recht günstig und die Strecke eben, sodass ich zügig voran kommen. Ich habe ohnehin die Absicht, beim Erreichen der ersten Vororte ein Taxi zu nehmen und mich in die Innenstadt bringen zu lassen. Der Großstadtverkehr und die Vororte - nein danke! Dann kommt mir aber erst einmal ein Hindernis in die Quere, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Landesweit streiken die Minenarbeiter und haben alle Straßen rund um La Paz abgeriegelt. Die Sperren sind überzeugend!

Über etliche Kilometer ist die Straße voller Steine, sodass Fahrzeuge nicht mehr durch kommen. Im Hintergrund ist eine von mehreren Blockaden der Minenarbeiter zu erkennnen.

Die Sperren sind nicht richtig konsequent, denn der Verkehr wälzt sich überstaubige Feldwege um den Ort herum. Zuerst folge ich auch dieser Piste, da ein Ende aber nicht abzusehen ist, kehre ich in der Ortschaft auf die Hauptstraße zurueck und fahre mit einem mulmigen Gefühl und freundlich grüßend durch die Mengen der Protestierenden. Nichts passiert, außer einigen Rufen "Hello Mister" oder "Gringo", an die ich mich inzwischen gewöhnt habe und so komme ich bei einbrechender Dunkelheit in die weniger schönen Vororte von El Alto, früher einem Teil von La Paz, heute eine eigenständige Stadt. Mit etwas Mühe finde ich für 150 BS ein Taxi - ein recht üppiger Preis für hiesige Verhältnisse, aber Verhandeln ist nicht möglich und eine Alternative bei inzwischen vollständiger Dunkelheit habe ich auch nicht. Ich hatte dem Fahrer das Ziel genannt, ein Hotel im Zentrum von La Paz, dass mir die Franzosen empfohlen hatten. Der Fahrer hat mich trotz eindeutiger Angabe des Ziels falsch verstanden und landet erst einmal im Zentrum von El Alto - völlig falsch! Und so dauert die Fahrt ins Zentrum von La Paz, wo er sich nicht auskennt, noch einmal gut 45 Minuten länger. Bei Erreichen des Hotels  verlangt er 200 BS - jetzt bin es ich, der nicht zum Verhandeln bereit ist - mal verliert man und mal gewinnen die anderen. Der Preis war auch für diese Strecke noch immer überzogen.

Blick aus meinem Hotelzimmer auf einen Teil von La Paz

La Paz

La Paz ist eine grausige Stadt. Sie liegt in einem riesigen Talkessel über mit ca. 1000m Höhenunterschied und die Wohngebiete wuchern die steilen Hänge hinauf. Eine Struktur ist für mich nicht erkennbar. Während andere südamerikanische Großstädte meistens schachbrettartig angelegt sind, gibt es hier außer der Autopista keine richtig erkennbaren Hauptverkehrsrouten und so verliert sich der Verkehr in einem unübersichtlichen Gewirr von Gassen, in dem ich bei Fahrten mit Taxis jedesmal die Orientierung völlig verliere und mich nach einer halben bis einer Stunde Fahrt wundere, dass wir doch dort angekommen sind, wo die Fahrt hin gehen sollte.
Aber einmal abgesehen von den Verkehrsverhältnisssen hat diese Stadt für mich nichts Attraktives zu bieten, was es lohnen würde deswegen hierher zu kommen.

Dafür hat die Stadt andere Dinge zu bieten, die man so auch nicht überall findet, so z. B. der so genannte Hexenmarkt. Zu den schrägsten Dingen, die hier verkauft werden, gehören für mich die getrockneten Lamaföten als Glücksbringer, die hier von der Decke hängen und in dem grünen Korb stecken. Aber auch sonst gibt es allerlei Wunderliches. Und um die Ecke wird die Zukunft aus einer Handvoll Kokablätter gelesen, die auf ein Tuch geworfen werden.

Der Grund, warum ich hierher gekommen bin, ist ausschließlich meine Absicht, den Camino de la Muerte oder die Death Road zu fahren. Von hier möchte ich mich und mein Fahrrad von einem der vielen Tourenveranstalter mit aus der Stadt hinaus nehmen lassen und dann mit dem eigenen Fahrrad diese spektakuläre Strecke auf eigene Faust fahren. Aber wegen des unklaren Verhandlungsausgang zwischen Regierung und den Streikenden bekomme ich keine Zusage, da auch die Strecke zum Startpunkt blockiert ist.
So bestelle ich mir für den nächsten Tag wieder ein Taxi zum Hotel, das mich bis zu den Straßensperren bringen soll und vertraue darauf, dass ich wieder durchgelassen werde.

Während ich durch die Stadt streife, wird hier im Parlament mit den Minenarbeitern verhandelt. Vom Ergebnis hängt auch ab, ob ich am nächsten Tag die Stadt verlassen kann.

Szenen, wie auf vielen Plazas großer Städte

Die Death Road

Diese Straße hat es in sich. Vor Jahren war sie die einzige Verbindung von La Paz in die Yungas, den tropischen Regenwald im Amzonasgebiet. Auf einer Strecke von ca. 60 km geht es dabei von ca. 4700 m bei La Cumbre fast ohne Unterbrechung runter auf 1200 m bei Yolosa. Weil auf dieser einspurigen Strecke in der Vergangenheit jährlich ca. 100 Menschen ums Leben kamen, bekam sie den zweifelhaften Titel "Gefährlichste Straße der Welt" oder etwas werbewirksamer "Death Road". Mit Hilfe der Weltbank wurde eine neue Straße gebaut und seitdem werden die spektakulärsten 30 km der alten Strecke fast nur noch von Mountainbikern befahren, obwohl auch noch immer Kleinbusse, Lkw und Pkw dort unterwegs sind.

Die Verhandlungen mit den Minenarbeitern waren in den Abendstunden erfolgreich und so kann mich der Taxifahrer bis auf den höchsten Punkt der Strecke bringen und auch einige Tourenanbietern aus La Paz sind wieder unterwegs.

Start bei 4700 m - Schneefall, Nebel, lausige Kälte

Es ist nasskalt und leichter Schneeregen läßt die Brillenglaeser beschlagen. Ich vertraue darauf, dass es in den tieferen Lagen schnell wärmer wird - Irrtum! Völlig durchgefroren muss ich mir nach kurzer Zeit mehr Zeug anziehen. Rasend schnell geht es auf der neuen Asphaltpiste bergab. Unterwegs ist eine große Drogenkontrollstelle eingerichtet, die ich aber ohne anzuhalten passieren kann, ein Stück weiter muss ich das erste Mal mit dem Fahrrad Maut bezahlen.
Nach ca. 35 km kommt dann ein unscheinbarer Abzweiger, der auf die alte Schotterpiste, die eigentliche Death Road, führt. Ab hier gilt Linksverkehr - damit die Autofahrer beim Ausweichen besser den Abgrund sehen können.

30 km Schotterpiste, 30 km ohne Unterbrechung bergab - insgesamt auf diesem Stück 1900 Höhemeter. Durchschnittliches Gefälle 6%, maximal 17%! Immer an der Wand entlang.

Technisch nicht schwierig, man kann sich auf dem groben, ausgewaschenen Schotter gemütlich runterrollen lassen - man darf nur nicht von der Straße abkommen ;-)

Zahlreiche Kreuze säumen die Strecke. Wenn man von der Straße abkommt, braucht man sich keine Gedanken mehr zu machen... Und wie eine frische Unfallstelle zeigt, bleibt der Schrott auch in der Schlucht liegen - eine Bergung ist ziemlich unmöglich.

Mehr Kreuze zum Gedenken an die Verunglückten stehen wohl nur in den Alleen Brandenburgs

Ja, da oben auf der Kante, das bin ich an der wohl spektakulärsten und meist fotografierten Stelle der Piste - wie tief es da wirklich runter geht, gibt das Bild allerdings nicht wieder!

Immer wieder fährt man in toller Landschaft unter kleinen Wasserfällen hindurch. Und das Beste: Nach Wochen ausschließlich in den Farbtönen braun und ocker kommt man hier im üppigen, saftig-grünen tropischen Regenwald an, mit tausenden Schmetterlingen und bunten Vögeln um einen herum.

Runter kann doch jeder

In Yolosa angekommen stehen mir noch die 8 km bis Coroico bevor. 500m steil nach oben auf grobem Naturkopftsteinpflaster. Das ist weder rauf noch runter ein Spass! Hier übernachte ich.
Wegen der vielen Wolken war die Sicht bei der Abfahrt sehr schlecht und außerdem habe ich auch keine große Lust, mit Bus oder Taxi die gesamte Strecke nach La Paz zurück zu fahren, denn von dort geht meine geplante Route in eine andere Richtung weiter. Also wieder zurück. Wieder die alte Strecke, nur diesmal bergauf - mit Gepäck! Zugegeben, ein etwas verrücktes Unterfangen. Aber die sportliche Herausforderung reizt denn doch. Runter kann ja schließlich wirklich jeder, selbst die Dicken oder Ängstlichen, die ich mit den Tourenanbietern getroffen haben, ziehen sich hinterher stolz das schwarze T-Shirt mit dem Aufdruck "Death Road Bolivia - Survivor" über, was nichts anderes bedeutet als: Ich habe mir ein vollgefedertes Mountainbike mit zwei Guides und Begleitfahrzeug gemietet und habe es geschafft, mich 30 km den Berg runterrollen zu lassen, ohne von der Straße abzukommen.
Ich muss zugeben, ich habe die Tour nach oben unterschätzt. Hatte ich anfangs noch die Hoffung, es in 5 - 6 Stunden zu schaffen, musste aber immer längere Pausen einlegen und kam nach 8 Stunden völlig ausgepumpt, schweißnass und bei 12 Grad trotzdem frierend an der Einmündung zur neuen Strecke um 17.00 Uhr an. Immerhin, während der meisten Zeit waren das Wetter und die Sicht deutlich besser als am Vortag, aber irgendwann konnte ich es nicht mehr geniessen und auch die Lust, die Kamera zu zücken, ließ im Laufe des Tages deutlich nach.
Wie für mich gemacht, hielt oben gerade ein klapperiger Linienbus an und brachte mich - wieder bei Schneefall - auf der Passhöhe bei La Cumbre - mit meinem Fahrrad im Mittelgang fuer 30 BS nach La Paz. Und wieder im Hotel Nuevo Sol - das ich nur jedem, der Nach La Paz kommt, empfehlen kann - gab es erstmal eine endlos lange, heisse Dusche und anschließend ein grosses Steak. Beides wohl verdient!!!!!!!
Und jetzt geht es wieder auf den Altiplano und vermutlich melde ich mich in einigen Tagen wieder aus Uyuni.

Abseits der Hauptstraßen über den Altiplano

Acht Tage habe im Sattel gesessen und dabei 656km zurückgelegt, seit ich La Paz verlassen habe und gestern Abend in Uyuni angekommen bin. Hätte man mich gestern Mittag gefragt, wie lange ich für die Strecke gebraucht habe, hätte ich es nicht sagen können. Unterwegs ist mir das Gefühl für die Tage auf den Sand- und Schotterpisten abhanden gekommen. Erst mein Tagebuch hat mich wieder in den Film gebracht.
Eigentlich wollte ich mich mit dem Taxi nur aus La Paz heraus und an den Stadtrand von El Alto bringen lassen, um dann weiter nach Viacha mit dem Rad zu fahren - nach Karte ca. 20km, kein großer Akt. Was die Karte aber nicht verriet, war die Tatsache, dass die Vororte von El Alto bereits so weit wuchern, dass sie fast bis an die Stadtgrenze von Viacha reichten. Also nicht auf's Rad, sondern nur noch eine Unterkunft finden, was in dieser Kleinstadt schon ein echtes Probelm ist.
Am nächsten Morgen dann endlich wieder "ganz normal" auf Tour gehen, eine lange Strecke weit abseits der Hauptstraßen liegt vor mir. Bis Corocoro habe ich aber erst einmal unerwartet guten Asphalt unter dem Reifen, 70km Entspannung.

Corocoro - eine sterbende Stadt, nachdem die Kupfermine die Förderung eingestellt hat

Corocoro ist allerdings schlimmer, als die schon drastische Darstellung in meiner Routenbeschreibung. Die ehemalige Minenstadt ist zu mehr als der Hälfte verlassen und verfallen und auch der Rest lässt einen an eine Geisterstadt denken. Und obwohl ich zur Mittagszeit ankomme und es auch ein "Restaurant" an der Plaza gibt, bekomme ich nichts - die Portionen sind wohl abgezählt. Mit der Ortschaft endet dann auch das Asphaltband, als wäre es nur bebaut worden, damit die Menschen schneller von hier fort kommen. Von jetzt an sind Staub und Schotter meins.

Völlig unerwartet tauchen in der Weite des Altiplano wieder einmal eine Saline auf - je weiter man in der Landschaft vordringt, umso mehr bestimmt das Salz das Bild und die Vegetation

Knochenarbeit in strahlendem Sonnenschein und gleissendem Weiß

Wie oben schon angedeutet, verschwimmen Tage und Orte und Entfernungen ein bisschen. Aber damit bin ich offenkundig nicht allein. Da Wegweiser die absolute Ausnahme sind und auf meine sehr groben Landkarte auch nicht alle Orte und Wege verzeichnet sind, bin ich mal wieder auf die Auskünfte der Einheimischen angewiesen. Während es mit der Richtung meistens noch ganz gut klappt, wenn man nach dem nächsten - nicht dem übernächsten - Ort fragt, sind Entfernungen reine Meinungsbekundungen. 15km, 2 Stunden, 5 Stunden, 80km - alles Auskünfte an einem Ort für dasselbe Ziel. Es waren schließlich tatsächlich knapp 80km. Zuerst ist die Strecke noch recht hügelig und bizarre Felsen säumen die Strecke, sodass ich mich frage, warum das hier eigentlich als Hochebene bezeichnet wird. Der weiche Sand ist dabei viel schlimmer als grober Schotter und zwingt immer wieder aus dem Sattel zum Schieben.

Sonne, Wind, Regen, Frost haben aus dem Sandstein bizarre Formen herausgearbeitet, die zum Umherstreifen und zur Motivsuche verleiten

Die Vegetation wird immer karger, aber die Berge bieten dem Auge mit Formen und Farben reichlich Abwechslung

Auch wenn es bergab geht - weicher, tiefer Sand ist das Schlimmste, was einem als Radfahrer so unterkommen kann. Immer wieder stellt sich das Vorderrad quer und zwing einen, aus dem Sattel zu springen und selbst das Schieben wird zum Kraftakt

Die Ortschaften werden immer kleiner und oft wirken sie wie ausgestorben und ich bin froh, wenn ich einen kleinen Laden finde, um meine Vorräte aufzufrischen oder - wenn es richtig gut läuft - ich zur Mittagszeit ankomme und es sogar ein Restaurant gibt. Meistens gibts es dann "Pollo Broaster", ein fritiertes Stück vom Huhn, Reis und eine Art Pommes frites, und mit viel Glück ist es auch mehr als nur lauwarm. Egal, eine Wahl hat man nicht und um satt zu werden, habe ich mir inzwischen angewöhnt, zwei Portionen zu essen. An Unterkünfte ist in diesen Ortschaften meistens nicht zu denken und da die Etappenlänge ohnehin schwer kalkulierbar ist, überwiegen jetzt die Nächte im eigenen Zelt.

Die Trockenzeit neigt sich jetzt im Oktober dem Ende entgegen und so sind die meisten Flüsse ausgetrocknet und ich kann mein Zelt im Flussbett aufschlagen.

Die Trockenzeit und damit der südliche Winter neigen sich dem Ende entgegen, sodass die Temperaturen in den Nächten nicht ganz so extrem sinken. Wobei das sehr relativ ist, denn bei Vollmond und sternenklarem Himmel in einer Höhe um 3700m wird es schon empfindlich kühl. Morgens kurz vor Sonnenaufgang am Fahrrad sind um -10 Grad die Regel, im Zelt sind es dann immer noch -4 Grad und die Thermounterwäsche darf es dann auch schon mal im Daunenschlafsack sein, aus dem nicht viel mehr als die Nasenspitze herausguckt. Und alles Wasser, das nicht im Zelt war, ist morgens ein einziger Eisblock.

Ein kleiner Skorpion hat unter meinem Zelt Zuflucht vor der nächtlichen Kaelte gesucht.

Endlose Weite, nur am Horizont sind schneebeckte Vulkane erkennbar, die dann aber auch gleich bis zu 6500m hoch sind.

Die Landschaft ist jetzt bretteben und die oben aufgeworfene Frage, warum es HochEBENE heißt, ziehe ich zurück. Der Wind ist zum Glück gnädig mit mir und so fahre ich bei strahlendem Sonnenschein meistens bei Windstille durch die Landschaft. Verkehr scheint es hier nicht zu geben und so treffe ich an einigen Tagen weniger als fünf Fahreuge - PKW, LKW, Mopeds und Fahrräder zusammengenommen. Nur keinen Zweifel aufkommen lassen, auf der richtigen Strecke zu sein...

Dass der Wind auch ganz anders kann, beweisen die Sanddünen in der Landschaft. Diese hat sich quer über die Piste geschoben.

Natürlich reizt die Düne zu einer "Erstbesteigung" - jedenfalls waren keine anderen Spuren zu finden.

Einzige Orientierungspunkte in der Landschaft sind die kleinen Ortschaften und da ich ohne GPS unterwegs bin, bin ich auf diesen Abgleich mit der Karte auch dringend angewiesen. Manchmal kommen einem dann doch Zweifel auf, ob man wirklich in Bolivien unterwegs ist, wenn dann plötzlich mitten im Nichts ein Wegweiser nach "Centro Berlin" auftaucht - doch verfahren?

Die Ortstafel ist nur noch schlecht lesbar - aber das ist Centro Berlin, so zu sagen der Alexanderplatz des Altiplano. Glück gehabt, doch nicht in den Weiten Brandenburgs gelandet ;-)

Als Baumaterial dient, was die Landschaft hergibt. Hier sind es flache Steinplatten, mit den die Häuser der Chipaya zum Teil aufgeschichtet werden. Am Rande des Salar do Coipasa prägen die Rundhütten dieses uralten Volksstammes das Landschaftsbild

Mein Ziel rückt inzwischen in greifbare Nähe. Nach einer Übernachtung in einem Hotel in Salinas de Garci Mendoza brauche ich nur noch den Vulkan Tunupa zu umrunden, den ich schon lange als Orientierungspunkt vor mir habe, und dann soll es auf den Salar de Uyuni gehen.

Flacher geht es nun wirklich nicht mehr, auch wenn ich noch nicht auf dem Salzsee bin. Dieser zierliche Vulkan im Hintergrund überragt die höchsten Alpengipfel allerdings um ca. 300m!

Noch einmal machen weicher Sand und grobe Steine mir das Leben schwer und dann liegt der Salar de Uyuni vor mir! 12.000 qkm reines Weiss! Keine Vorstellung wie groß das ist? Zum Vergleich: Schleswig-Holstein umfasst ca. 16.000 qkm. Schliesslich handelt es ja sich um den größten Salzsee der Welt. Am Rand steht teilweise noch ein bisschen Wasser und es geht auf markierten Zufahrten auf den See, aber dann gibt es keine Hindernisse mehr. Auf betonharter Piste habe ich mir die Überquerung von ca. 120km in zwei Etappen vorgenommen. Erst einmal geht es zur Isla Incahuasi und von dort dann nach einer Übernachtung ueber Colchani nach Uyuni.

Es gibt nur noch die Farben Weiß und Blau (Bayern?!) - und ein Fahrrad

Meditatives Radeln - die Fahrt ueber den Salzsee ist ein unvergessliches Erlebnis

Im Salzsee gibt es mehrere Inseln, von denen aber nur die Isla Incahuasi bewohnt und bewirtschaftet wird. Sie ist Ziel aller Jeep-Touristen, die schon morgens um 06.00 Uhr zum Sonnenaufgang da sind, aber auch das Ziel zahlreicher Radler. Als ich die Insel erreiche, stelle ich mein Fahrrad neben sieben andere Räder - Langstreckenradler aus allen Ländern treffen sich hier. In der ganzen Woche davor hatte ich gerade einmal ein holländisches Paar wieder getroffen, denen ich schon einmal an der Grenze zwischen Peru und Bolivien begegnet war. Und in den bisherigen fünf Wochen meiner Reise habe ich insgesamt weniger Radfahrer getroffen als hier!
Nachdem sich eine bunte Gruppe auch Sachsen, Berlin und der Schweiz Richtung Festland verabschiedet hatte, blieben Pauline und Alexis aus Frankreich und ich auf der Insel zurück, wo wir uns das "Refugio" mit Blick aus dem Panoramafenster auf den Sonnenuntergang über dem Salar teilten.

Isla Incahuasi - Kakteen, Felsen und der Salar

Warum steht in einigen Karten auch "Isla de Cactus?" Uralte, bis zu 12m hohe Kakteen prägen das Bild der Insel

Nur eine paar, sehr schön in die Landschaft eingepasste Häuser stehen auf der Insel - 30 BS Eintritt, 30 BS für die Übernachtung und noch einmal 20 BS für ein sehr spezielles Abendessen bei einer alten Inselbewohnerin - macht zusammen 9 Euro - geht gerade so...

Am nächsten Morgen brechen Pauline, Alexis und ich ohne große Absprache zusammen in Richtung Uyuni auf. Die beiden sind auf großer Tour von Equador nach Feuerland und auch wenn die Kommunikation ein bisschen hakt, ist die Fahrt zu dritt auch einmal eine schöne Abwechselung. War die Salzpiste am Vortag noch rau und rumpelig, ist die Strecke nach Colchani besser als eine Betonpiste und bei leichtem Rückenwind fahren wird die 75 bis zum Festland mit Pausen in nur fünf Stunden.

Bilder wie diese sind Pflichtprogramm auf dem Salzsee - er verleitet einfach zu solchen Spielereien

Bilder wie dieses sind der reine Übermut.... :-)

100km bis Uyuni, Hostal, heisse Dusche, die staubigen Klamotten in eine Wäscherei bringen, reichlich Essen in einer großen Runde von Radfahrern - und einen Tag Pause! Hier in Uyuni fülle ich noch einmal meine Vorräte auf und dann geht es morgen auf die nächste schwere Etappe, die Lagunenroute mit dem Ziel San Pedro de Atacama in Chile, ca. 500km, wieder raus aus der Ebene über die Kordelliere in Richtung Pazifikküste. Ich werde berichten. Aber vor steht natürlich noch der Cementario de Trenes in Uyuni auf dem Programm.

Am Stadtrand von Uyuni rosten dutzende ausgedienter Dampflokomotiven und noch mehr Waggongerippe seit Jahrzehnten vor sich hin - ein bizarren Anblick an diesem ehemaligen Verkehrsknotenpunkt

Eigentlich ist dieser Friedhof der Dampflokomotiven neben dem Salar de Uyuni die Touristenattraktion des Ortes - schade, dass die Umgebung einer Müllhalde gleicht.

Hier kann man nach Herzenslust auf Motivsuche gehen...

Am Anfang steht der Frust

Die Reserven sind in Uyuni aufgefüllt, ein bisschen ausgeruht habe ich mich auch und jetzt soll es auf eine der schwersten und extremsten Fahrradpisten der Welt gehen, die Lagunenroute von San Juan am Rande des Salar de Uyuni nach San Pedro de Atacama in Chile. Die Höhe, Wasserknappheit, schlechte Straßen und kaum Infrastruktur sind die wesentlichen Herausforderungen dieser Strecke, für die man schon man gern 10 Tage veranschlagen darf, auch wenn es weniger als 400km weit ist.  Aber erst einmal geht es für mich auf ebener Strecke parallel zur Bahnlinie von Uyuni nach San Juan und dann weiter nach Chiguana. Ebene, überwiegend gut fahrbare Sand- und Schotterpiste, Salar eben. Wenn da nicht der Wind wäre, der mir am Ende der ersten zwei Tage am Nachmittag kurz vor Chiguana in Sturmstärke entgegen weht.

Es gibt nichts, was den Wind auf dem Salar bei Chiguana bremst - nur er bremst mich aus

Chiguana ist ohnehin, wenn nicht mein Tagesziel, dann doch Zwischenstopp, denn hier kann ich für die nächsten zwei Tage noch einmal meine Wasservorräte auffuellen. Chiguana ist allerdings eine Geisterstadt, verlassen von allen Bewohnern bis auf ein kleines Militärcamp, das hier wofür auch immer aufrecht erhalten wird. Wahrscheinlich, um die beiden täglichen Güterzuege auf der Strecke zu sichern. Jedenfalls bin ich offenkundig eine willkommene Abwechslung für die Soldaten in dieser Einsamkeit. Die Hilfsbereitschaft ist sensationell und ich bekommen nicht nur frisches Wasser soviel ich benötige, das hier auch in Fässern aus dem nächsten Ort geholt werden muss, sondern neben einem eigenen  Gebäude für die Übernachtung auch noch Brot und Kaffee zum Abendessen.

Die Sala de Operaciones, eine Art taktischer Unterrichtsraum, ist meine Unterkunft, eindeutig eines der besseren Gebäude - hier sind nur zwei Fensterscheiben durch Wellblechplatten erstetzt, die im Sturm klappern

Der Militaerstützpunkt von Chiguana jenseits des Randes der Zivilisation - für eine Nacht ist eines der Gebäude meins

Der Wind hat sich in der Nacht gelegt und ich erreiche am Ende des Salars den ersten Berg. Hier beginnt die erste Herausforderung. Und sie hat es gewaltig in sich. Der Berg ist "nur" 10km lang und 400 Höhenmeter sind zu überwinden. Eigentlich kein großes Ding. Vor und hinter mir liegen ganz andere Strecken. Aber fahrbar sollten die Pisten doch gern sein. Hier geht so gut wie nichts mehr. Schieben, zerren, fluchen - Frust pur. Nach zweieinhalb Stunden habe ich 5km und etwa 200 Höhenmeter geschafft. Und dabei wird dieser Abschnitt in der Streckenbeschreibung, die ich in der Tasche habe, noch nicht einmal als besonders schwer beschrieben, im Vergleich zu dem, was noch kommt. Bei Schokolade und Nüssen frage ich mich am Rand der Piste, ob ich mir das die nächsten acht Tage antun will, beantworte diese Frage mit einem Nein und trete furstriert den Rückzug an - das ist mir noch nicht passiert! Mit Rückenwind erreiche ich gegen Abend wieder San Juan und miete mich in einer Hospedaje ein. Was tun? Zurück nach Uyuni und eine Geländewagentour buchen? Sehen möchte ich die Gegend im Südwesten Boliviens schon. Am nächsten Morgen entscheide ich mich spontan für eine andere Strecke, die auch auf die Lagunenroute führt und die spektakulärsten Teile dabei einschließt. Also Aufbruch Richtung San Agustin und Alota.

Nur vier Kilometer fahre ich auf der Pritsche des Klein-Lkw mit, dann hat mich der Sand wieder

Andengetreide mit sechs Buchstaben? Quinoa! Sehr nahrhaft, schmeckt - je nach Zubereitung - auch ganz gut. Aber nicht nur ich habe im Laufe der Strecke Quinoa zu verfluchen gelernt. In dieser Gegend wird viel Quinoa angebaut und es ist die Zeit, in der das Getreide ausgesät wird. Schon von Weitem sind die Felder erkennbar und eines ist dann sicher: Schieben ist angesagt. Denn die Felder und auch die Straßen dazwischen sehen so aus wie ein feinsandiger Ostseestrand, weich, tief und staubig. Keine Ahnung, wie hier etwas wachsen kann. Und so bin ich mal wieder mehr neben als auf meinem Rad. Eines der wenigen Fahrzeuge auf der Strecke hält wohl aus Mitleid an und bietet mir die Mitfahrt auf der Pritsche an. Gern! Nach zwei Kilometern der erste Stopp. Der Motor ist überhitzt (Sandopfer?) und kostet mich eine Flasche Trinkwasser und nach weiteren zwei Kilometern folgt der Wagen nicht mehr meiner Route. Also weiter im Sand.
Um die Mittagszeit erreiche ich San Agostin. Der Ort ist ganz nett, aber um diese Zeit wirkt er ausgestorben. Auf der Plaza steht ein einsamer Lkw und noch genervt vom Schieben sichere ich mir hier eine Mitfahrgelegenheit bis Alota. Ich geselle mich zu drei Generationen von Obst- und Gemüsehändlern, die von Ort zu Ort fahren und genieße die Quinoafelder eingequetscht in der Fahrerkabine.
In einem Laden in Alota treffe ich auf Sarah und Geoff aus Coventry in England, mit denen ich schon in Uyuni bei einer Pizza zusammen gesessen habe. Sie sind zusammen mit Emilien und Xinhan aus Frankreich und China, die auf einem Tandem auf zweieinhalbjähriger Weltreise sind, auf derselben Route unterwegs wie ich und von jetzt an sind wir zu fünft auf dem Schotter.

Nicht nur die Fahrt in der Gruppe macht es mir nach dem Frust der vergangenen Tage leicht, auch die Landschaft bietet beim Start in Alota mit einem schönen Flusstal zu Beginn Abwechslung für das Auge

Trockenen Fußes unter den neugierigen Blicken eines Lamas quere ich den Fluss

Anders als ich legt die Gruppe eine lange Mittagspause ein und holt den Kocher raus. Zeit für mich, die bizarre Felslandschaft zu erkunden

Einfach so im Nichts: Bizarre Felsen mit dicken Moospolstern

Meine Begleiter für die nächsten Tage:

Xinhan und Emilien auf ihrem Edel-Tandem,

Sarah und

Geoffrey

Ab in die Berge

Die Ebenen rund um die Salare in der Gegend von Uyuni haben wir längst verlassen und der Höhenmesser zeigt nie weniger als 4000m an. Fast täglich sind jetzt Pässe von mehr als 4600m zu überwinden. Die ganz kleinen Gänge sind der Standard und trotzdem rast der Atem und wenn die Strecke dann mal wieder richtig steil wird, geht man neben seinem Rad. Die Landschaft ist dabei absolut kahl und leer und die Stille am Morgen, wenn der Wind noch nicht aufgekommen ist, vollkommen. Kein Vogel singt, kein Insekt zirpt oder summt hier!

Lange, lange Steigungen machen uns das Leben schwer. Immerhin ist der Schotter hier sehr gut fahrbar. Und es gibt noch Vegetation.

Vorläufiger Höhepunkt der Reise. Nach 657 Höhenmetern ist die Passhöhe mit 4629m erreicht.

Auf ca. 4400m wieder ein Salar

In Villa Mar finden wir am Ortseingang eine sehr schöne Unterkunft. Allerdins verlangt der Inhaber 500 BS pro Person. Für einen Ort mitten im Nirgendwo ein unverschämt hoher Preis. Aber da der Ort auf der Route der Jeep-Touristen liegt, finden wir eine gute Alternative fuer 30 BS (plus 5 BS fuer ein ducha caliente!) Ein Unterschied von ca. 50 Euro! Von jetzt an gibt es bis San Pedro de Atacama keine Ortschaften mehr. Das nächste Etappenziel ist eine Saline, in der Borax gewonnen wird. In dem Camp der Minenarbeiter wollen wir in der nächsten Nacht unterkommen. Der Chef ist erst einmal nicht begeistert und sehr zurückhaltend. Zelten auf dem Gelände nicht erlaubt. Dann zeigt er uns ein dreckiges, dunkles Zimmer mit vier Betten, das wir uns zu fünft teilen sollen. Aber so nach und nach taut er auf. Schließlich teilen Emilien, Xinhan und ich einen - zugegebenen sehr staubigen - Raum, wo wir unsere Isomatten ausrollen und Sarah und Geoff nehmen ein Zimmer mit vier Betten. Und für kleines Geld bekommen wir, was wir möchten. Brot, Eier, ein sehr gutes Stück Fleisch aus einer Lamakeule und auch eine leckere Suppe in der Kantine der Mine. Die Arbeiter verbringen hier vier Wochen, in denen sie sieben Tage in der Woche von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten, um dann für 14 Tage nach Hause zu fahren. Einzige Abwechslung sind der Fernseher, ein Billardtisch und ein Kicker in der Kantine. Sarah und Geoff sind ziemlich am Ende ihrer physischen und psychischen Kräfte (auf dieser Strecke kommt jeder mal an seine Grenzen) und wollen eigentlich eine Ruhetag einlegen. Hier ist dafür allerdings nicht der richtige Ort. Sie entschließen sich aber, allein in ihrem Tempo weiter zu fahren.

Abschied vor der Administration Capina - auch wenn der Chef finster guckt, war er sehr hilfsbereit

Angekommen auf der Lagunenroute

An der Laguna Colorada treffen wir auf die "Original-"Lagunenroute und vor uns liegen die Highlights der Stecke. Aber auch die höchsten Berge. Die Laguna Colorada verdankt ihren Namen dem mehrfarbigen Wasser, wobei besonders das intensive Rot beeindruckt.

Laguna Colorada - auf dieser Seeseite ist Rot tonangebend.

Die zahlreichen Flamingos haben fast die Farbe des Wassers angenommen - wie auch anders, wenn man den ganzen Tag das Wasser nach Nahrung durchsucht

Und das Wasser ist wirklich kräftig rot!

Nach der Laguna Colorada erwartet uns ein 20km langer Anstieg, der uns auf den höchste Pass der Strecke führen soll: 4926m bei der Sol de Mañana sind zu überwinden. Allerdings ist die Piste an der Laguna Colorada sehr sandig und ein kräftiger Wind weht uns entgegen, sodass wir uns entschließen den Windschutz eines kleinen Cañons am Fuß des Anstiegs für das Nachtlager zu nutzen und erst am nächsten Tag weiter zu fahren. Ein paar Stunden nach uns tauchen Sarah und Geoff auf. Ohne den Druck, dem Tempo der Gruppe folgen zu müssen, sind sie wie ausgewechselt und richtig gut drauf.

Weit und breit den einzigen Windschutz bietet dieser Cañon - wie die Hinterlassenschaften verraten, sind wir nicht die Ersten, die hier übernachten.

Wirkt flach, aber es geht fast auf 5000m hoch - 20km bergauf!

Ein Highligt im wahrsten Sinne des Wortes ist Sol de Mañana, ein Solfatarenfeld auf knapp 4900m Höhe, wohl eines der höchstgelegenen auf der Erde. Es zischt, faucht und blubbert an allen Ecken und Enden und der Boden bzw. die Löcher schillern in allen mögliche Farben. Nach vier Stunden komme ich gegen 12.00 Uhr hier oben an und habe das Gelände erst einmal für eine dreiviertel Stunde für mich allein. Dann kommen nicht nur Xinhan und Emilien an, sondern auch die zahlreichen Geländewagen spucken die Touristen aus. Sie folgen immer alle demselben Zeitplan. Wenn sie erst einmal durch sind, hat man wieder seine Ruhe vor Staub und Lärm. Die Reisenden können einem schon fast ein bisschen leid tun, wenn die Fahrer sie mit der höchst möglichen Geschwindigkeit durch diese einzigartige Landschaft kutschieren.

Aus einem unscheinbaren Loch fauch hier mit ohrenbetäubenden Lärm heisser Dampf aus der Erde

Die Erde lebt! In allen Löchern blubbert der Modder in unterschiedlichsten Farben.

Harte Kontraste in einer unwirklichen Landschaft

Es kocht, blubbert und spritzt in den vielen Löchern im Boden

Sarah und Geoff hatten sich verfahren, waren Richtung Chile abgebogen und deswegen Sol de Mañana ausgelassen. So rollen wir jetzt wieder gemeinsam zur Laguna Chalviri

Der lange Anstieg auf den Pass wird natürlich belohnt. Nicht nur mit den Solfataren von Sol de Mañana, sondern auch mit einer langen Fahrt bergab zur Laguna Chalviri und das alles wieder auf einer recht guten Piste. Trotzdem ist immer eine sehr hohe Konzentration erforderlich, denn ein einzelnes Sandloch kann einen jederzeit aus dem Sattel werfen. Eine weitere Belohnung wartet an der Laguna Chalviri auf uns: Ein Restaurant mit extra großen Radler-Portionen und - für Radfahrer kostenlos - ein Bad in einer heißen Quelle. Etwas Besseres gibt es nach einem Tag im Sattel eigentlich nicht! Vor allem in dieser Kombination ;-) Und der Zeitplan der Jeeps überlaesst uns das Bassin ganz allein, sodass wir zu fünft im Wasser liegen, bis die Haut schrumpelig wird.

Sonnenaufgang über der Laguna Chalviri morgens um 06.30 Uhr - minus 9 Grad im Schatten, ca. plus 35 Grad im Wasser

Sarah und Geoff nutzen diese Oase für ihren dringend benötigten Ruhetag. Xinhan, Emilien und ich nehmen die letzten beiden Tage bis San Pedro in Angriff. Schon von der Lagune aus ist ein weiteres Extrem zu erkennen, die Desierto del Dali, eine unwirkliche Mondlandschaft, die uns immer wieder anhalten und zur Kamera greifen lässt - aber die Bilder sagen eigentlich nichts ueber die tatsächlichen Eindrücke!

Vulkane, bunte Berge, Sandebenen mit Felsen, die wie in die Landschaft geworfen wirken - ein winziger Ausschnitt aus der Desierto del Dali

Hier stört nicht einmal die sandige Piste...

... jedenfalls nicht immer :-(

Aber überwiegend ist die Fahrt in dieser Umgebung ein Genuss und Belohnung für Schinderei in den Tagen davor

Eine letzte Nacht auf dem Altiplano verbringen wird in den Ruinen lange verlassener Häuser an der Laguna Blanca, die unseren Zelten perfekten Windschutz bieten. Der ist zwar nicht erforderlich, denn der Wind schläft wieder einmal mit Einbruch der Dunkelheit ein, dafür wird die Nacht bei (wie immer) sternenklarem Himmel mit -13 Grad noch einmal bitter kalt. Nur die Mäuse oder Ratten im Vorzelt stören die Temperaturen offenbar nicht. Morgens sind die zwei Kilometer zur Laguna Verde schnell zurückgelegt. Pünktlich um 09.00 Uhr sind wir an einem Aussichtspunkt, um das Spektakel zu sehen, wie sich der See bei einem bestimmten Sonnenstand tiefgrün färbt. Der Himmel ist wie immer strahlend blau, die Berge spiegeln sich im See, nur das Farbspektakel fällt aus. Wie wir von einem Tourguide erfahren verfärbt sich der See seit zwei Monaten aus unerklärliche Gründen nicht mehr. Macht auch nichts, wir sind jedenfalls keinen Umweg dafür gefahren.

Die Laguna Verde morgens um 09.00 Uhr - ohne Verde, dafür mit einer schönen Spiegelung der Berge im Hintergrund

Eine letzte Furt zwischen der Laguna Blanca und der Laguna Verde kann ich problemlos durchfahren

Wir verabschieden uns aus Bolivien. Nach knapp 20 km erreichen wir den einsamen bolivianischen Grenzposten, wo wir gegen Zahlung von 15 Bolivianos unseren Ausreisestempel bekommen. Der chilenische Staat ist nur durch ein paar Schilder präsent, die Grenzkontrolle findet im 40 km entfernten San Pedro de Atacama statt. Man merkt aber sofort, dass man Chile erreicht hat. Die Straße ist in gutem Zustand und so fahren wir einen letzten hohen Pass auf 4650m, um dort nach 10 Tagen und viel Schotter, Sand und Staub die asphaltierte Hauptstrasse zu erreichen!

Chile begrüßt uns sehr sachlich-nüchtern

Asphalt! Und eine einzigartige Talfahrt - ca. 30 km ununterbrochen mit 6 - 8% Gefälle bergab bis ins 2300m tiefer gelegene San Pedro de Atacama

Auf 4600m noch eisig kalt geht es schnell talwärts in die Hitze der Atacamawüste

San Pedro de Atacama. Einreisekontrolle mit Durchleuchten der Packtaschen und Kontrolle, ob man frische landwirtschaftliche Produkte oder Tiere einführt. Kein Problem, die Lebensmittelvorräte sind ziemlich restlos verbraucht und die Tasche dementsprechend schwindsüchtig. Emiliens Eltern erwarten ihn und Xinhan hier. Sie begleiten die beiden etappenweise hier in Südamerika mit dem Rad. Sie haben bereits ein Hostal bezogen, wo ich auch unterkommen. Die Preise in dieser kleinen, sehr touristischen Wüstenoase liegt fast auf europäischem Niveau und sind damit fuer Südamerika extrem hoch. Egal. Dafür gibt es auch einen nicht südamerika-typischen Standard, den ich nach den Wochen auf dem Altiplano genieße. Und statt Nudeln mit Thunfisch und Tomatensosse gibt es ein Abendessen in einem sehr gepflegten Restaurant. Hier werde ich mich jetzt ein bisschen erholen, mir die Umgebung ansehen und dann die letzten 300km bis zu meinem Ziel in Antofagasta in Angriff nehmen. In einer Woche ist alles vorbei und ich lasse langsam ausklingen...