Iran - 50 Tage mit dem Rad im Orient

Orientierung in einer orientalischen Großstadt

Gegen 04.00 Uhr in der Nacht komme ich auf dem Flughafen von Isfahan an, der um diesen Zeit ziemlich leer und nicht besonders einladend wirkt. Mein 60-Tage-Visum ist auch für die Grenzbeamten offenkundig so verwirrend, dass ich erstmal zur Seite gehen muss, alle anderen Passagiere abgefertigt werden und dann der Aufkleber des Hamburger Generalkonsulats ausgiebig auf Echtheit geprüft wird. Endlich der Stempel und schon lauert das nächste Problem. Mein Fahrradkarton wird für einen Fernseher gehalten und Fernseher dürfen nicht importiert werden. Kommt wohl nicht so oft vor, dass hier so ein Riesenkarton durch den Zoll gebracht wird. ¨Where are you from?¨ ¨Germany¨ - ¨Germany is very good! We trust you!¨ Und ohne weitere Kontrolle bin ich eingereist. Die Sypathie für Deutschland bekomme ich gleich am ersten Tag wohl noch zig mal zu hören und zu spüren - auch immer wieder verbunden mit dem Hinweis, dass Perser und Deutsche Arier sind...
Was tun? Fahrrad zusammenbauen und in der Nacht in die Stadt fahren? Auf dem Flughaben noch irgendwie ein Auge zumachen? Oder einem der vielen Taxifahrer nachgeben und mit dem Taxi ins Zentrum fahren? Spontan bekomme ich eine Einladung einer Familie, die mit demselben Flugzeug angekommen ist, bei ihnen zu schlafen. Ein Taxifahrer bekommt die Adresse und dann bestätigen sich meine Bedenken, dass der Fahrradkarton viel zu groß ist für das Taxi und so landet er auf dem Kofferraumdeckel und wird mit ein paas Gummistrippen befestigt!!! Mir ist überhaupt nicht wohl dabei, hoffe aber, dass es eine kurze Fahrt wird.
Irrtum! Unendlich geht es auf Schnellstraßen um die Stadt und eine Abfahrt nach der anderen ins Zentrum lassen wir hinter uns. Dann eine Bodenwelle zur Verkehrsberuhigung die mein Chauffeur übersieht und schon liegt der Fahrradkarton auf der vierspurigen Schnellstraße und entgeht dem Überrolltwerden durch den nächsten Wagen nur knapp. Mir ist nicht zum Lachen zumute. Mit 30km/h und Warnblinker setzen wir die Fahrt fort, aber der Taxifahrer findet die Adresse nicht und als der Karton das zweite Mal vom Kofferraum rutscht, steige ich aus, baue mein Fahrrad zusammen, das zum Glück den Sturz auf die Straße ohne Schaden überstanden hat (gut verpackt eben), packe die Sachen auf der Straße um und mache mich im Morgengrauen auf den Weg in die Stadt - ohne Plan, ohne Orientierung und ohne einen blassen Schimmer, ob es in Ordnung ist, dass ich auf einer autobahnähnlichen Straße im Smog auf dem Seitenstreifen fahre. Keiner hupt, keiner schimpft, scheint alles ganz normal. Eine Zweimillionenstadt ohne Stadtplan zu erkunden ist gewagt und so brauche ich eine Weile, bis ich den ausgetrockneten Fluss mit seinen schönen Brücken finde und eine Idee bekomme, wo ich etwa bin.

Eine Brücke mit 33 Bögen und kein Wasser

Meydan ist nicht gleich Meydan

Für die ersten beiden Nächte habe ich mir über warmshowers.org eine Unterkunft bei Nik organisiert, der schon seit fast 10 Jahren Reisende bei sich zu Hause aufnimmt. Dort kann ich aber erst am Abend erscheinen. Also bleibt mir nur, nach einer schlaflosen Nacht den Tag in der Stadt zu verbringen.
Mein erstes Ziel ist der Meydan-e Iman, DIE Sehenswürdigkeit von Isfahan. Mit 524 x 160m hat er gigantische Ausmaße und mit den Moscheen, dem Palast und dem Basar kann man sich hier locker einen Tag aufhalten. Jetzt ist mir mal wieder meine Planlosigkeit im Weg. Ich irre in dem chaotischen Verkehr durch die Hauptstraßen und die engen Gassen. Immer, wenn ich mal ein Minarett oder die Kuppel einer Moschee sehe und versuche, sie zu erreichen, verliere ich sie in dem Häusermeer aus den Augen und verirre mich in dem Straßengewirr. Schließlich stehe ich doch auf einem rundum bebauten Platz mit Wasserspielen, einer Moschee und einem alten, unendlich verwinkelten Basar. Ich habe mein Ziel erreicht - glaube ich zumindest! Irgendwie kommt mir der Platz aber zu klein vor und er ist auch fast menschenleer. Und eigentlich sind die Fassaden Basargebäude auch viel zu neu.
Egal. Jetzt benötige ich aber erst einmal Geld und eine Telefonkarte, um auch für Nik erreichbar zu sein. Vodafone ist hier keine Alternative. Und da setzen sich meine Probleme nahtlos fort. Banken gibt es viele, aber ich werde von einer zur nächsten geschickt, weil keine Geld einwechselt. Schließlich, nach mehr als zehn Versuchen begleitet mich ein Bankbediensteter und bringt mich zu einer Wechselstube. 300 US-Dollar wandern über den Tresen und im Gegenzug werde ich ruckzuck zum Millionär: Wechselkurs 1:34000 Rial. Ein dicker Packen Scheine wandert in die Tasche. Die gigantischen Summen sind ungewohnt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Preise meistens in Tuman angegeben werden und ein Tuman sind 10 Rial... Auch das lerne ich noch. Mit einigen Irrungen und Wirrungen bekomme ich auch eine SIM-Karte für mein Smartphone - gegen Vorlage des Reisepasses und drei Fingerabdrücken und schon bin ich wieder erreichbar und liquide.
Jetzt kann ich auch die Moschee an dem Platz besichtigen - auch für Nicht-Moslems kein Problem und gegen 150.000 Rial Eintritt betrete ich die größte Moschee Irans! Es ist die Masdjeh-e Djameh, die mit ihren riesigen Ausmaßen und ihren filigranen Fliesenmustern beeindruckt. Aber zu den Beschreibungen meines Reiseführers passt hier vieles nicht und mir wird klar, dass ich einen anderen Platz, nämlich den Meydan e Emam Ali gefunden habe, aber nicht mein eigentliches Ziel.
(Das Internet ist hier grausig langsam, denn ich bin inzwischen auf dem sehr platten Land und deswegen kommt die Bilderflut auf Isfahan später bei besserem Netz).
Aber ich finde auch noch den Meydan-e Imam und bin sprachlos! Der Platz ist riesig! Tausende Menschen, in der ganz überwiegenden Mehrheit Iraner, sind hier unterwegs. In den Grünanlagen picknicken vielen Gruppen, Pferdekutschen bieten Rundfahrten über den Platz an und in den Basaren wird die gesamte orientalische Pracht feilgeboten. Dazwischen wird in zahlreichen Werkstätten gehämmert, geschmiedet, graviert, genäht... Inzwischen ist es Nachmittag geworden und mir ist klar, dass ich heute nicht mehr alles sehen kann, was dieser Platz zu bieten hat. Ich entscheide mich für die "kleine" Lotfollah Moschee. Und wie immer und wie alle stehe ich drinnen mit offenem Mund und in den Nacken gelegten Kopf und bestauene die Pracht des gefliesten Gewölbes. Wie gesagt: Bilder folgen. Unglaublich!
Jetzt erstmal ein Safraneis mit Faludeh - Reisnudeln mit Zitronensaft - eine Spezialität aus Shiraz, die bei den Temperaturen um 30 Grad herrlich erfrischt.
Mit meinem bepackten Fahrrad bin ich eine zusätzliche Touristenattraktion auf dem Platz. Kinder probieren ihre Englischkenntnisse an mir aus und Erwachsene wollen wissen woher ich komme: "Alleman - very good" "Thank you for visiting Iran" Schließlich lande ich bei einer Familie auf der Rasenfläche und werde mit Tee, Süßigkeiten und Abendessen versorgt - die Gastfreundlichkeit der Menschen ist unbeschreiblich!
Weil ich keine Lust habe, in der Dunkelheit noch einmal die Orientierung zu verlieren, kommt Nik mit dem Fahrrad auf den Meydan-e Imam und holt mich ab. Es ist nur ein kurzes Stück (hätte ich allein nie gefunden) bis zu seinem Haus in einer ruhigen Sackgasse am Rande der Innenstadt, wo ich noch einmal zu essen bekomme und ein geräumiges Zimmer. Einziges Problem: Nach starken Regenfällen der letzten Tage ist die Wasserversorgung vorübergehend zusammengebrochen - ist nix mit warmshowers. Egal - Hauptsache ein Bett.
Am nächsten Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus und nach einem gemeinsamen Frühstück mit Nik mache ich mich noch einmal zur Stadtbesichtigung ohne Gepäck auf. Der Meydan-e Imam ist mein erstes Ziel, wo ich durch den Basar schlendere, die Große Moschee und auch den mittelalterlichen Palast besichtige.
In den Moscheen laufen auf großen Monitoren Panorama-Aufnahmen anderer Kirchen - christliche Kirchen! Auch sie gehören zu den Kulturschätzen der Stadt und über das ausgetrocknete Flussbett in den Stadtteil Djolfa und sehe mit die armenisch-christlich-orthodoxe Vang-Kirche an. Weihrauch, alle Wände und Decken über und über bemalt mit biblischen Motiven - anders eben als in Moscheen sind es hier figürliche Darstellungen - und Altäre. Die Vorstellungen der Islamischen Republik, die keine anderen Religionen dultet, kann man getrost vergessen. Die armenische Minderheit hat hier ihr Museum, ein Mahnmal, das an den Völkermord in der Türkei 1915 erinnert und ihr religiöses Zentrum. Aber es gibt noch zahlreiche andere Kirchen und auch eine Synagoge für die jüdische Bevölkerung. Sehr tolerant und ein friedliches Nebeneinander. Nur eines wird nicht akzeptiert: Ein Konvertieren von Moslems zu einer anderen Glaubensgemeinschaft.
Es ist nicht möglich, alle Sehenswürdigkeiten der Stadt in zwei Tagen zu besuchen - wahrscheinlich reichen zwei Wochen nicht aus. Auch wenn mir der Vergleich fehlt, aber eine Idee davon, dass es sich um die schönste Stadt des Orients handelt habe ich schon.
Ich kehre zu Niks Haus zurück und nach einer weiteren Nacht und mit vielen guten Tipps ausgestattet, verlasse ich am nächsten Morgen die Stadt in Richtung Yazd auf einer Nebenroute, die mich nicht nur von der Autobahn weg bringt, sondern auch erstmals in die Wüste - ich werde berichten und auch Bilder nachliefern - versprochen.

Durch die Wüste nach Yazd

Ausgestattet mit dem Stadtplan der Touristeninformation finde ich schnell den Weg hinaus aus Isfahan. Natürlich wieder über den Autobahnring und ich habe keine Zweifel mehr, dass es gut ist, dass bei uns Rad fahren auf der Autobahn verboten ist. Eine Auf- oder Abfahrt - machmal auch zweispurig - zu queren ist ein sportliches Unternehmen, gerade mit einem vollgepackten Fahrrad! Einmal noch eine Abfahrt verpasst und dann bin ich weg von der Hauptstraße, denn ich will nicht die Strecke über Na'in nach Yazd nehmen, sondern auf einer teilweise unbefestigten Nebenroute durch die Wüste. Aber erstmal bleibt der Verkehr noch recht dicht und die "Nebenstrecke" ist auch vierspurig ausgebaut.
Es gibt hier noch viel für mich zu lernen. Meine Orientierungsprobleme gehören mit dazu. Ich verzichte noch immer auf GPS und verlasse mich auf meine Karte. Problem: der Maßstab. Viele Orte sind nicht eingezeichnet und viele Abzweigungen fehlen auch. Problem Nr. 2: sofern auf den Nebenstrecken Wegweiser vorhanden sind, finden sich selten Ortsnamen in lateinischer Schrift!

Alles klar? Der zusätzlich aufgesprühte Schriftzug ist heißt Yazd - mein Ziel

Problem Nr. 3: in meiner in Deutschland gekauften Karte sind die Ortsnamen überwiegend auf Deutsch eingezeichnet. Bei den größeren Orten kann ich immerhin die persischen Schriftzeichen vergleichen. Die Transskription scheint auch nicht immer ganz einfach, denn mir begegnen für dieselben Orte immer wieder andere lateinische Schreibweisen. Nie wieder ohne GPS in ein Land, in dem ich Analphabet bin!
Die Strecke zieht sich. Die Besiedelung wird dünner, links und rechts der Straße sind bewässerte landwirtschaftliche Fläche. Mein eigentliches Ziel erreiche ich heute nicht mehr und so rolle ich kurz vor Einbruch der Dämmerung in Ezhyeh ein. Begleitet von Jungs auf ihren Mopeds - wohl so um die 12 Jahre, die an mir ihren gesamten, nicht sehr umfangreichen englischen Wortschatz wieder und wieder abarbeiten. Vor der Moschee im Zentrum bin ich dann von ca. 15 - 20 Mopeds mit Fahrern fast aller Altersklassen umringt. Da es hier im Ort keine Unterkunft gibt will in eine Imamserei, die etwa 3km hinter dem Ortsausgang liegen soll, übernachten. Aber ehe ich mich versehe, bin ich in einem Haus, dessen Besitzer in Isfahan lebt und auch gleich dorthin zurückkehren will, der mir aber sein Haus für die Nacht überlässt - heiße Dusche und Vollpension inklusive, denn eine Gruppe von Männern nimmt sich meiner an und gegen 20.00 Uhr sind um die 10 Personen - Männer und Kinder - im Haus und ich sitze vor einem riesigen Berg Essen - alles für mich!!!

Meine Versorger - einige sind schon gegangen. Offenbar kennen sie den Hunger eines Radreisenden, denn sie tragen sehr viele leckere Sachen ins Haus. Nicht einmal die Hälfte schaffe ich

Zum Frühstück wiederholt sich das Ganze, allerdings in kleinerer Runde. Fladenbort, Joghurt, Käse, Marmelade, Honig und Tee

Von Auftischen kann allerdings nicht die Rede sein. Auch etwas, das ich lernen muss: auf dem Fußboden sitzend essen. Und der Schneidersitz ist für mich als Ungeübtem mit müden Beinen vom Rad fahren alles andere als bequem. Das fällt offenkundig auf, denn immer wieder werde ich hier wie auch anderswo aufgefordert, es mit doch bequem zu machen und die Beine auszustrecken. Die Menschen sind geduldig und zeigen mir, wie man die anderen Zutaten mit dem Fladenbrot isst, ohne dass zuviel auf dem Teppich landet. Es gibt so viele grundlegende Dinge zu lernen!

Neues Lernziel: Wie benutze ich eine Toilette, in der es außer einem in den Fußboden eingelassenen Becken mit einem Loch und einem Schlauch an der Wand nichts weiter gibt... Die Phantasie und Handlungsalternativen gehen einem schnell aus!

Mein Fahrrad ist voll. Nein, ich kann die Melone nicht auch noch mitnehmen. Sie wird mir trotzdem - im wahrsten Sinne des Wortes - untergeschoben

Es folgt noch eine kurze Dorfrundfahrt, bei der mir die Sehenwürdigkeiten gezeigt werden und nach einem herzlichen Abschied bin ich wieder auf der Piste. Ein kleines Stück abseits von dieser liegt der Ort Ghortan. In keinem Reiseführer verzeichnet, auch nicht auf meiner Karte. Es ist ein Tipp meiner Gastgeber der vergangenen Nacht. Dort findet sich eine 1000 Jahre alte Ruine einer Lehmbaufestung.

Jeder Ort atmet hier eine sehr alte Geschichte

Hinter Varzaneh endet dann abrupt jede Bebauung und es gibt auch keine Felder mehr. Ich bin in der Wüste - oder vielleicht Halbwüste angekommen. Die Straße ist anfangs noch asphaltiert, aber Autos kommen nur noch alle paar Stunden vorbei. 90km liegen vor mir. Eigentlich kein Probelm. Es hat hier in den letzten Tagen offenbar auch geregnet. In den Senken steht Wasser, aber ein naher Salzsee lässt auch hier an den Rändern das Salz kristallisieren.

Weit und breit nichts außer der Straße, meinem Fahrrad, der Wüste und mir (hinter der Kamera)

Dieses Wasser hilft auch nicht weiter, wenn man Durst hat...

In der Ebene entdecke ich einen vom Salzsee kommenden Wanderer mit Rucksack: Dimitri, ein junger Mann aus der Ukraine, der sich von dort auf den Weg nach Australien gemacht hat, um dem Militärdienst zu entgehen - ohne Geld in der Tasche. Geht anscheinend auch. Er will auf ein Auto warten und weiter trampen, fragt mich aber, ob ich Wasser übrig habe. Eigentlich kein Problem, stelle dann aber fest, dass ich meine dritte Flasche vom Gepäckträger verloren habe. Sorry, das wird auch für mich jetzt knapp und ich bin froh über die Melone unter dem Sattel! Fünf Stunden später treffen wir uns in den halb verfallenen Gemäuern einer Karawanserei wieder. Dimitri hat nach Stunden eine Mitfahrgelegenheit gefunden und ich kann jetzt meine Wasservorräte ergänzen. Und es bietet sich die Möglichkeit, Unterkunft und Abendessen in einer kleinen Hütte zu bekommen. Da die Beine schon ziemlich schwer sind, nehme ich die Möglichkeit gern an, allerdings schlage ich mein Zelt auf, wovon der Gastgeber nicht gerade begeistert ist. Er kocht für uns einen Eintopf mit Schaffleisch und Gemüse. Schmeckt gut und tut nach dem langen Tag in der Hitze gut.

Gastfreundschaft in der Wüste - der Mann ist 58 Jahre als, drei Jahre älter als ich... Ich will hierzu jetzt keine unpassenden Kommentare hören :-)

Nach einem kargen Frühstück nehme ich die letzte Etappe nach Yazd in Angriff. Aber es kommen jetzt viele Weggabelungen und der Schotter lässt keine eindeutige Orientierung zu. Irgendwo muss ich mal wieder falsch abgebogen sein. Jedenfalls werden aus den angezeigten 90 km nach Nadushan 120 und ich komme dort um die Mittagszeit ziemlich ausgepumpt an. Eigentlich will ich mich nur vergewissern, dass ich auf dem richtigen Weg bin und meine Wasservorräte auffüllen, werde aber in der Dorfstraße aus einem vorbeifahrenden Wagen angesprochen. Der Weg ist schnell klar und mit Begleitung fahre ich zum örtlichen Kaufmann und bekomme ich eine Flasche Wasser - eine Bezahlung wird kategorisch abgelehnt.
Es kommt was kommen muss: Eine Einladung zum Tee in das Haus des Vaters. Okay, eine Pause passt jetzt ganz gut. Zum Tee kommen Datteln. Und Weintrauben. Und Wassermelone. Und selbst gemachte Zitronenlimonade (lecker!). Und dann kann es ja auch endlich Mittagessen geben. Die Großfamilie ist zum Wochenende ins Elternhaus gekommen und ich sitze im Kreis von ca. 20 Personen - da kommt es auf einen schon nicht mehr ganz so hungrigen Radfahrer auch nicht mehr an. Der Hausherr, mit dem ich kein einziges Wort sprechen kann, ist glücklich mit meiner Kamera und wirkt rundum zufrieden, den exotischen Gast im Haus zu haben.

Leckeres Essen... (dazu gibt es noch Joghurt, Buttermilch mit Kräutern und Paprika)

...in gemütlicher kleiner Runde...

und ein zufriedener Hausherr

Es ist erst früher Nachmittag und bis nach Yazd sind es noch ca. 90 km. Meine Gastgeber wollen mich überreden, hier zu übernachten. Meine Beine sind zwar schon ziemlich schwer, aber die Aussicht, mit dem gesamten männlichen Teil der Familie ein Zimmer zu teilen, ist nicht so prickelnd. Außerdem möchte ich Yazd noch ein Stück näher kommen, rechne aber damit, in der Wüste mein Zelt aufzuschlagen. Ich nehme unter Protest der Gastgeber Abschied und komme dann auf guter Piste schnell voran. Das Gelände fällt leicht ab und der Wind hilft auch. Mit hereinbrechender Dunkelheit erreiche ich nach nur vier Stunden Yazd. Drei (!) Jugendliche auf einem Moped nehmen sich meiner an und bringen mich zu einem Hotel in der Altstadt, das Nik mir empfohlen hatte - ohne Verfahren. Ganz großen Dank! Leider ist das Haus (das Radfahrer kostenlos aufnehmen soll) bis auf das letzte Bett ausgebucht. So lande ich im Hotel Orient gegenüber. Auch ausgebucht, aber es gibt für kleines Geld noch ein Bett im Gemeinschaftsschlafraum - für Radfahrer zwei Nächte zum Preis von einer. Gebucht. Ich bin nach 155 km durch die Wüste viel zu müde, um noch weiter zu suchen. Ein deutscher Reisender bestätigte mir heute Morgen, dass ich ziemlich fertig aussah - ich hoffe ich bin dem Gesichtsalter meines Gastgebers von der vorletzten Nacht nicht zu nahe gekommen!
Jetzt erstmals in Yazd ein Ruhetag - ein weiteres von vielen UNESCO-Weltkulturerbestätten auf meinem Weg durch Iran.

Wie viele Menschen passen auf ein Moped? Drei?

Aber wo vier drauf passen...

...da geht für den Familienausflug auch noch die Nummer 5

Kilometerfressen auf der Autobahn

Es ist immer ein Problem, wenn man eine Reise mit einem absoluten Highlight wie Isfahan beginnt. Danach ist dann vieles, was für sich phantastisch ist, nicht mehr ganz so strahlend. So ist es mir zumindest mit Yazd gegangen. Nur zwei Nächte - also einen Tag - bin ich dort gewesen und das war zudem noch ein Freitag, an dem zwar nicht alles ruht, aber das Leben in der Stadt auf Sparflamme vor sich hinköchelt. Deswegen nur ein paar Bilder aus der Stadt...

Natürlich hat auch Yazd seine prunkvollen Moscheen

Aber nicht alles, was wie Moschee aussieht, ist auch eine Moschee - das hier ist der Eingang zu eine Basar- und Geschäftsbereich

Riesige Holzgestelle stehen überall in der Stadt herum, die zu Prozessionen mit Tüchern bespannt durch den Ort getragen werden.

Es gibt so viel zu lernen - auch dass arabische Zahlen in arabischer Schrift anders aussehen als unsere (das hier ist eine 50 - Zahlen von links nach rechts, Schrift von rechts nach links...)

Wer klopft denn da? Geschlechtertrennung bis hin zum Türklopfer - links für Männer, rechts für Frauen. Der Klang macht den Unterschied

Aber eine Stadt, die Radfahrern (und ich hoffe es sind nicht die Straßenfeger gemeint) ein Denkmal setzt, muss einem doch einfach sympatisch sein

Auf dem Weg nach Shiraz

Nach einem Ruhetag mit Stadtrundgang und gutem Essen verabschiede ich mich von Yazd und mache mich auf den langen Weg nach Shiraz, der nächsten Millionenstadt auf meinem Weg. 470km Autobahn liegen vor mir ohne nennenswerte Höhepunkte, die die Motivation bisschen hochziehen könnten. Im Gegenteil. Die ersten 72km aus der Stadt ziehen sich endlos und steigen ständig immer weiter an. Dann ist endlich eine Passhöhe erreicht und ich kann noch ein bisschen das Rad laufen lassen und ein paar Kilometer gut machen. Die Straße ist gut ausgebaut und die Autofahrer sind sehr rücksichtsvoll. Mein einziges Problem: Ich bräuchte eine dritte Hand, um all den freundlichen Menschen zurückzugrüßen.
Nik hatte mir den Tipp mit auf den Weg gegeben, ich könne auch beim Roten Halbmond übernachten, der überall im Land Rettungsstationen eingerichtet hat. Falsch. In der Dämmerung finde ich an der Strecke so eine Station, werde aber abgewiesen. Die nächste Stadt ist zwar nicht mehr weit, aber ich habe keine Lust in der Dunkelheit auf der Autobahn zu fahren oder in einer fremden Stadt eine Unterkunft zu suchen. Wasser habe ich genug dabei, also schlage ich mein Zelt etwas abseits der Piste auf.

Glück gehabt - nach einer völlig vegetationslosen Wüstenstrecke gibt dieser Busch ein wenig Schutz  - wogegen eigentlich? Jedenfalls schläft man hervorragend auf dem Wüstensand. Wenn nur nicht der allgegenwärtige Staub wäre.

Auch der nächste Tag bringt nicht so viel Abwechslung. Jedenfalls ist der Verkehr nicht so dicht und die Richtungsfahrbahnen liegen teilweise mehrere hundert Meter auseinander

Und noch eine Nacht am Rande der Autobahn bei Vollmond

Nächte in der Wüste im Zelt sind nicht das Schlechteste. Hauptsache man hat genug Wasser mitgenommen und auch Verpflegung in der Satteltasche. Hier hat man jedenfalls seine kleine Welt für sich. Privatsphäre ist hier sonst nicht immer vorhanden. In den Orten auf der Strecke bekommt man auch alles, was man zum Leben braucht. Je näher ich Shiraz komme, desto mehr ändert sich die Landschaft. Die Wüste wird mehr und mehr von landwirtschaftlichen Flächen abgelöst und schließlich fahre ich durch eine fruchtbare Ebene, in der es offenbar nicht an Wasser mangelt. Und es ist Erntezeit und es gibt alles im Überfluss.

Täglich lade ich mir reichlich frisches Obst in die Taschen - gegen alle üblichen Ratschläge und Warnungen esse ich es ungewaschen und ungeschält - bisher ohne Probleme. Das soll auch gern so bleiben

Apropos Erntezeit: Ich dachte, mir bleiben dieses Jahr die Maishäcksler erspart - Irrtum

Jetzt wird mir auch noch einmal deutlich, wie angenehm das Fahren in der Wüste ist. Unterkünfte gibt es hier auch nicht - oder ich finde sie nicht, aber es ist ungleich schwerer einen ungestörten Zeltplatz zu finden. Am Rande eines Tomatenfeldes und einer Granatapfelplantage denke ich, die Nacht ungestört verbringen zu können. Und welch ein Luxus: Aus einem dicken Bewässerungsschlauch sprudelt reichlich kühles Wasser und nach drei Tagen auf dem Rad ist ausgiebige Körperpflege angesagt. Das tut gut! Und dann kommt doch der unerwartete Besuch. Ich habe keine Idee, was der Mann mir sagen will. Auf keinen Fall ist er unfreundlich oder will mich vertreiben. Aber für alle, die einmal mit Menschen zu tun haben, die kein Wort von dem verstehen, was man sagt, hier ein Tipp: Es hat keinen Sinn, dieselben Worte wieder und wieder aufzusagen. Das Verstehen wird dadurch überhaupt nicht besser. Und selbstkritisch dazu: Es hat auch keinen Sinn, in allen möglich Sprachfetzen, die einem so einfallen, zu antworten, dass man nichts versteht. Insbesondere das Plattdeutsche hat hier eine sehr geringe Erfolgsausicht - zugegeben. Obwohl: Bei aggressiven Hunden hat sich gerade dies bestens bewährt. Man muss nur laut genug ein Stück aggressiver als die Hunde wirken. Zur Unterstützung noch einen Stein aufheben und den Hunden entgegengehen und schon sind alle Verständigungsprobleme überwunden. Bei meinem nächtlichen Besucher hat das nicht so schnell geklappt. Aber irgendwann bin ich dann wieder allein und habe meine Ruhe.

Kulturtrip

Ich bin in der Provinz Fars angekommen. Persisches Kernland und hier liegt sehr viel, sehr alte Geschichte links und rechts am Wegesrand. Zuerst fahre ich an der Abfahrt nach Pasagardae vorbei - UNESCO-Weltkulturerbe - wie auch anders. Ich erspare mir aber den Umweg. Es kommt ja noch mehr. Die Reliefs und Grabmahle von Naqsh-e Rostam lasse ich aber nicht aus. Mehr als 2500 Jahre alt und beeindrucken auch noch heute (Interessierte dürfen die Einzelheiten gern bei Wikipedia oder sonstwo nachlesen...)

Gigantische Ausmaße und

sehr detailreiche Reliefs, die die Geschichte illustrieren und dreisprachig in Kleinschrift beschreiben (was war zu dieser Zeit eigentlich gerade bei uns so los?)

Nur einen Katzensprung entfernt kommt das absolute MUSS, wenn man hier in der Gegend unterwegs ist, selbst wenn man die geschichtlichen Details nicht bis ins Einzelne weiß oder auch wissen will: Persopolis, die Hauptstadt des persischen Weltreichs vor 2500 Jahren. Auch hier lasse ich einfach ein paar Bilder sprechen.

Der alte Eingangsbereich zu den zahlreichen Palästen

Gigantische Ausmaße und ein unglaublicher Detailreichtum

Phantasievolle Tierfiguren

Die einstige Größe und Pracht lässt sich nur zum Teil erahnen

Vor allem sind es aber die unglaublich fein und detailreichen Reliefs, die die Wände schmücken und so hervorragend die Jahrtausende überstanden haben

Beschrieben ist das Ganze hier, aber ihr könnt's ja selbst lesen

Genug der Kultur. Ich bin in Shiraz angekommen, habe mich in einem kleinen Hotel eingemietet und werde die Stadt jetzt zwei Tage besichtigen und mich von 470 Autobahnkilometern und Unmengen verruster Abgase der Uralt-LKW erholen. Dann kehre ich der Autobahn den Rücken und fahren überwiegend auf Nebenstrecken Richtung Norden.

 

Shiraz und Isfahan stehen in einem Iran-internen Wettstreit, welche die schönere der beiden Städte ist. Den Schiedsrichter gebe ich in dieser Frage ganz bestimmt nicht, dazu sind die Eindrücke viel zu flüchtig. Isfahan hat mich sofort in seinen Bann gezogen, Shiraz ist anscheinend wesentlich vielfältiger und auch nicht ganz so chaotisch. Meine Bleibe liegt mitten im Zentrum, sodass ich viele der Attraktionen der Stadt zu Fuß besuchen kann. Erstmal bei der Tourist-Information einen Stadtplan holen und ein paar Ratschläge, was man in dieser Stadt gesehen haben muss - unmöglich, alles in zwei Tagen zu sehen. Aber gleich hinter der Tourist-Info liegt die alte Festung der Stadt, ein alter Ziegelbau mit Wehrtürmen an den vier Ecken, von denen einer umzufallen droht.

Der schiefe Turm von Shiraz

Auf der anderen Straßenseite liegt dann der riesige Zand-Komplex, für den man sich einfach ein bisschen mehr Zeit nehmen muss, um die ganzen Eindrücke aufnehmen und verarbeiten zu können. Natürlich mit einer Moschee. Natürlich mit einem Basar. Dazu noch Museum, altes Badehaus und Bibliothek.                                                         

Von außen wie von innen wirkt die Vakil-Moschee sehr schlicht im Vergleich mit vielen anderen Gotteshäusern, die ich bisher gesehen habe. Eine Besonderheit ist die Treppe rechts: Sie hat 14 Stufen und ist aus einem einzigen Marmorblock gefertigt - einzigartig im Iran          

Auch hier fasziniert mich die Säulenhalle mit ihrer Schlichtheit

Ruhig geht's zu auf dem orientalischen Basar!

Vermutlich verbindet jeder so seine Vorstellungen mit dem sprichwörtlichen orientalischen Basar. Lautes Feilschen, Gedränge, aufdringliche Händler, die Angst um seine Habe als ständiger Begleiter...
Alles so falsch und so ganz anders. Schon die anderen Basare, die ich besucht habe waren exotisch-schön. Dieser übertrifft sowohl vom Gemäuer wie auch vom Warenangebot und der Atmosphäre alle bisherigen. Auf Touristen ist man hier überhaupt nicht eingestellt und man geht völlig ungehelligt durch die schier endlosen und verwirrenden Gänge. Die Farben und die Düfte sind ein Anschlag auf die Sinne. Nicht aber die Geräuschkulisse. Trotz der vielen Menschen ist es sehr ruhig und entspannt. Gehandelt wird nicht und es wird auch keiner in einen Laden gezogen oder in irgendeiner Art und Weise zum Kauf animiert.

Die zehn Meter hohen Ziegelgewölbe sorgen trotz der Hitze draußen für ein angenehmes Raumklima im Basar

Was weiß ich denn, was hier angeboten wird...

Vor allem aber die unzähligen Gewürze einzeln oder wie hier als Mischung verwirren den Geruchssinn

Unvermeidliche natürlich auf die vielen Teppichhändler. Aber auch sonst bekommt man alles was das Herz begehrt.

Naja, das alte Vakil-Bad ist dagegen schon eine Enttäuschung, wie so vieles andere auch. Oder bin ich inzwischen zu verwöhnt? Oder sind die Geschmäcker einfach zu unterschiedlich. Irgendwann gehe ich hier wahrscheinlich auch in keine Moschee mehr.

Muss das denn sein, die historischen Räume mit ziemlich naiv ausstaffierten Puppen zu dekorieren?

Viele berühmte Menschen haben ihre letzte Ruhestätte in Shiraz gefunden und es wurden teilweise monumentale Gedenkstätten für sie errichtet. Ich habe mir das Grabmahl von Hafez herausgesucht, der hier mindestens einen Stellenwert hat, wie bei uns Goethe.

Über dem Marmorsarg des Dichters Hafez wurde diese Gedenkstätte errichtet und ist ein richtiger Wallfahrtsort für die Iraner