Australien - ein Radtour auf Tasmanien

Winter in Deutschland - Zeit, die Welt wieder einmal von der anderen Seite zu betrachten. Fahrrad fahren im australischen Sommer - zu groß, zu heiß, sagen viele Radlern, die dort unterwegs waren. Trotzdem lockt Down Under. Einen ganzen Kontinent werde ich fünf Wochen ohnehin nicht erkunden können und so habe ich mich für die Südostecke um Melbourne mit der Great Ocean Road als Highlight und Tasmanien entschieden.

Angekommen! Nach ca. 23.000 km und 30 Stunden Flug von Hamburg über London, Los Angeles und Auckland bin ich im sommerlichen und gleichzeitig vorweihnachtlichen Melbourne gelandet. Das Fahrrad und auch der Rest der Ausrüstung sind heil und vollständig angekommen und erste Eindrücke von der Stadt konnte ich auf dem 25 km langen Weg vom Flughafen in die Innenstadt auch schon sammeln. Fahrrad fahren ist hier kein richtiges Vernügen und auch wenn die Gegensaätze von Alt und Neu teilweise recht reizvoll sind, zieht es mich in die Umgebung und so werde ich nach der ersten Nacht in der Nähe der Innenstadt (10 km) Melbourne heute in Richtung Great Ocean Road verlassen. Von dort, und dann auch mit Bildern, melde ich mich demnächst mit dem ersten richtigen Reisebericht. Jetzt stürze ich mich erst einmal bei ca. 30 Grad in den Großstadtverkehr - Melbourne hat etwa die Einwohnerzahl Berlins - und flüchte auf's Land.

Zurück in Melbourne

Vor 10 Tagen habe ich Melbourne verlassen und sitze jetzt nach 1000 km auf dem Rad wieder in der Touristeninformation im Herzen der Stadt, um meinen ersten richtigen Bericht abzuliefern.
Der erste Eindruck von der Größe der Stadt hat sich mir heute noch einmal bestätigt, nachdem ich ca. 20 km außerhalb auf einem grausigen Caravanpark direkt an der Autobahn die Nacht verbracht hatte, um dann ins Zentrum zu fahren. Nachdem ich die Stadtgrenze erreicht hatte, wo ich unvermittelt vom falchen Land in ausufernden Industriegebieten landete, musste ich mir 20 km lang die Straße mit dichtem Schwerlastverkehr teilen. Kein Vergnügen, denn die Fahrradstreifen fangen tatsächlich erst in Innenstadtnähe an und eine Besonderheit dieser Streifen ist, dass sie immer dann enden, wenn es eng wird, z. B. vor Kreuzungen oder Kreisverkehren. Das Zentrum der Stadt ist hochmodern und wie wohl allen Hafenstädte, die etwas wauf sich halten, hat natürlich seine alten Hafenanlagen, die Docklands, in moderne Wohn- und Geschäftsviertel umgebaut, die für ein horrendes Geld an den Mann oder die Frau gebracht werden sollen aber ziemlich ausgestorben wirken. Wesentlich lebhafter geht es da schon im alten Zentrum rund um den Federation Square zu.
Um ein paar Eindrücke zu vermitteln, hier Bilder aus der Stadt:

Der alte Bahnhof an der Flinders Street

Gegenüber moderne Architektur am Ferderation Square

Innenansicht

 

Straßenbahnen wie aus dem Museum

Mein eigentliches Ziel war es aber nicht, die Großstadt zu erkunden, sondern vielmehr wollte ich, bevor ich auf mein Hauptreiseziel Tasmanien übersetze, die Great Ocean Road fahren. Diese ca. 250 km lange Straße wurde von heimkehrenden Soldaten des ersten Weltkriegs überwiegend direkt an der Küste entlang gebaut und bietet eine üppige Vegetation und immer wieder traumhafte Ausblicke auf den Ozean.
Der Ausgangspunkt für die Great Ocean Road ist Anglesea, ca. 150 km südlich von Melbourne. Die Strecke führt über Geelong und ich versuche, die Freeways, die direkte Verbindung zu umgehen und nur Nebenstraßen zu befahren. Das gelingt mir bis zu einem Punkt, wo ich der Wegweisung für Radfahrer nach Geelong folge und plötzlich nur noch auf der dreispurigen Autobahn weiter komme. Auch keine Problem, denn der Seitenstreifen ist hier für Radfahrer freigegeben. Allerdings ein Vergnügen bzw. eine ruhige Radtour in der Natur ist etwas anderes! In Geelong komme ich erst bei Dunkelheit an - da bewährt sich doch ein vollständig ausgerüstetes Fahrrad! 120 km am zweiten Tag nach der Ankunft bei Temperaturen, die selten unter 30 Grad fallen - da war es wie immer am Anfang der Tour: Ich liege nachts mit Krämpfen im Zelt. Dafür bietet der idyllisch am Fluss gelegene Campingplatz reichlich Verkehrslärm von zwei dicht vorbeiführenden Hauptstraßen...

Radfahrer werden hier mangels Alternative auch auf der Autobahn akzeptiert - aber nicht überall!

Ein Grund, warum ich die Hauptstraßen meide! Ich befinde mich im Heimatland von Mad Max und seine Landsleute pflegen offenkundig ihre Traditionen!!!

Die Great Ocean Road - sie soll eine der schönsten Küstenstraßen Australiens sein und jetzt im Frühling und noch dazu nicht am Wochenende, herrscht noch nicht so dichter Ausflugsverkehr. Die Orte entlang der Route sind klein und zu 100% auf Tourismus ausgerichtet - Surfschulen, Fastfood, Motels, Caravanparks und alles andere, was der Tourist so braucht oder womit man ihm Geld abnehmen kann. Aber da die Orte in recht großem Abstand liegen, ist es kein Problem, man ist meistens mit sich und der Natur.

Den aus dem ersten Weltkrieg heimkehrenden Soldaten, die die Great Ocean Road gebaut haben, ist hier ein Denkmal gesetzt worden.

Das Split Point Lighthouse an der Great Ocean Road

Lange, einsame Traumstrände und das Wasser sieht nicht nur einladend aus, es hat auch schon Badetemperatur!

Aber nicht nur die Küste lockt. Hier ist es der Maits Rest Rainforest Boardwalk, der zu einem Spaziergang durch mächtige Baumfarne und noch beeindruckendere Eukalyptus-Riesen lockt.

Der mit großem Abstand beeindruckendste Abschnitt der Great Ocean Road ist die Küste um Port Campbell, die als Nationalpark geschützt ist. Am bekanntesten sind wohl die Twelve Apostles, Felsinseln, die vor einer bis zu 60 m hohen Sandsteinküste aus dem Meer herausragen. Auch wenn es keine zwölf mehr sind, denn allein im letzten Jahr sind durch die Arbeit des Wassers zwei umgestürzt, etwas Vergleichbares wird man schwer finden. Und es ist auch nicht mit diesem kurzen Abschnitt getan, die gesamte Küste ist gespickt mit spektakulären Felsen, Buchten, Blowholes und Felsbögen. Leider spielte das Wetter bei meiner Ankunft nicht mehr so richtig mit. Immerhin hatte ich nach eine gute Sicht auf die Twelve Apostles, wenn auch das Licht hätte besser sein können. Nach einer Übernachtung in Port Campbell musste ich mein Regenzeug raus holen, dafür blieb die Kamera in der Tasche. Schade, denn die Bay of Islands steht den Aposteln in nichts nach, außer dass die Küste und damit die Felsinseln dort nicht mehr ganz so hoch sind.

The Twelve Apostles - aber nicht nur sie machen diesen Küstenabschnitt so einzigartig

Wind und Wellen arbeiten ständig an dem weichen Sandstein und formen die Küste damit immer neu

Und immer wieder neue, beeindruckende Küstenformationen...

Bei Peterborough verlässt die Great Ocean Road die Küste und führt durch saftiges Weideland bis nach Warrnambool, wo sie dann endet. Hier kehre ich dem Ozean erst einmal den Rücken und fahre weiter durch ebene, endlose Weidelandschaft in Richtung Grampians National Prak, einem Gebirgszug, der sich aus der Ebene erhebt und wegen seiner reichen Tier- und Pflanzenwelt und der zahlreichen Felsmalereien der Aboriginals unter Schutz gestellt wurde.

So sieht's aus, wenn man dem Ozean untreu wird - über hunderte Kilometer...

Grampians National Park

Schon von weitem erhebt sich der Gebirgszug aus der Ebene und nachdem man Dunkeld hinter sich gelassen hat, wechselt schlagartig die Vegetation. Kein Weideland, keine Kuühe, nur noch Wald, Buschland, Kängurus (und nicht nur auf Straßenschildern), Schabeligel, tausende Papageien und, und, und...
Kängurus hatte ich bisher nur vereinzelt gesehen - und sie mich und nahmen sofort Reißaus. Hier im Nationalpark sind sie nicht nur zahlreich, sondern zumindest in der Nähe des zentralen Ortes - Halls Gap - auch an den Menschen gewöhnt und damit nicht mehr scheu. So wachte ich nachts auf dem Campingplatz von einem Geräusch auf, ein Tier graste offenkundig in der Nähe meines Zeltes und stolperte dann auch noch über die Abspannleinen. Zu sehen war gegen die Beleuchtung des Platzes der Schattenriss eines Kängurus, der exakt den Verkehrsschildern entsprach. Also kein Grund zur Beunruhigung. Am nächsten Morgen graste eine Gruppe Kängurus auf dem Platz und liess sich auch nicht durch die Menschen und speziell einen Menschen mit Kamera stören.

Geduldige Motive - Mutter mit Kind - das Junge ist schon so groß, dass es nicht mehr richtig in den Beutel passt. Wenigstens die Hinterläufe bleiben immer außen vor. Das Kleine ist allerdings auch schon recht selbständig und rast in weiten Sprüngen übermütig durch die Gegend.

Papageien sind schön. Sollte man glauben. Hunderte hatte ich schon gesehen und war immer wieder faszniert. Hier auf dem Campingplatz hatte sich aber eine größere Kolonie eingenistet - keine Ahnung welche Rasse - die einem den Tag so richtig verderben kann. Eine große Krähenkolonie ist dagegen eine ruhige Gesellschaft, die einen sehr melodischen Gesang pflegt. Diese weißen Gesellen machten morgens ab 05.30 Uhr bis in die Abenddämmerung einen unendlichen Krach. Und dabei hatte ich Glück, denn auf meinem weiteren Weg sah ich andere Gruppen dieser Vögel, die um eine Vielfaches größer waren!

Ein Schnabeligel am Straßenrand - diese seltsamen und sehr schreckhaften Tiere legen Eier und säugen ihre Jungen. Wenn sie mich bemerkten, fingen sie sofort an, sich einzugraben.

In dem Nationalpark bleibe ich zwei Nächte, sodass ich noch Zeit habe, mir einen Teil der Felszeichnungen der Aboriginals anzusehen, die es hier an meheren Orten gibt. Ohne Gepäck mache ich mich auf den Weg, die steilen Berge hinauf und über schlechte Schotterstraßen zurück. Lohn für die Mühe sind weite Aussichten und ein Blick in die Geschichte dieses Kontinents.

Einfache Zeichnungen unter einem Felsüberhang zeugen von der jahrtausende alten Geschichte des Kontinents.

Die MacKanzie Wasserfälle in den Grampians

Nach einem Gewaltritt, z. T. bei Regen von 300 km nach Melbourne werde ich mich jetzt gleich zum Hafen bewegen und die Fähre nach Tasmanien nehmen. Drückt mir mal die Daumen, dass die Überfahrt nicht zu bewegt wird.

Tasmanien - der wilde Westen

Ja, ich habe es so gewollt und ich habe es mir selbst ausgesucht! Also halte ich es mit dem Motto von Arved Fuchs: "I do not complain!" Nein, ich beklage mich nicht, dass ich am letzten Freitag, kurz nachdem ich den letzten Bericht geschrieben hatte, der Skyline von Melbourne auf der "Spirit of Tasmania" mit der strahlend untergehenden Abendsonne und angenehmen Temperaturen den Rücken gekehrt habe, um am nächsten Morgen um 07.00 Uhr in Devonport auf Tasmanien bei bleigrauem Himmel und heftigem Regen mit einzelnen Gewitterschlägen von Bord der Fähre zu gehen und meinen Weg nach Westtasmanien anzutreten. Ich habe es gewusst, dass es hier kühler und regnerischer ist als auf dem Festland, deswegen bin ich ja auch hier, denn bei mehr als 40 Grad kann und will ich nicht fahren. Auch habe ich gewusst, dass Tasmanien - und speziell der Westen - sehr bergig ist - oder, wie es die Radfahrerkarte, die ich an Bord der "Spirit of Tasmania" gekam, treffender ausdrückt: "...at times brutally hilly..."
Also gut. Gelegentlich Regen, immer Berge und die manchmal endlos und steil, Temperaturen von 3 Grad nachts bis ueber 30 Grad am Tag, gleich am ersten Tag im heftigen Regenguss auf dem Highway, als ich ohne Brille durch Scherben fuhr, den ersten (und bisher einzigen) Platten der Reise hatte. Soviel zu den Widrigkeiten. Aber deswegen bin ich ja nicht hier. Es gibt ja unbedingt die anderen Seiten dieser abwechslungsreichen, teilweise sehr dünn besiedelten und wilden Insel. Deswegen bin ich doch hier...

Riesige Baumfarne in den Regenwäldern Westtasmaniens

Erst einmal folge ich der Küste in Norden der Insel in Richtung Westen. Herrliche Buchten mit traumhaften Sandstränden und gepflegten Urlaubsorten reihen sich hier aneinander. Dann biege ich nach Süden ab und fahren wieder durch Farmland, dass sich bis auf eine Höhe von etwa 400m erstreckt und dort von endlosen Wäldern abgelöst wird. Es sind aber überwiegend keine Wälder wie wir sie uns vorstellen, sondern Baumplantagen, in denen vor allem Eukalyptus und Kiefern in Reih und Glied stehen, um nach ca. 20 Jahren geerntet und dann als Rohstoff für Papier oder Spanplatten zerschreddert zu werden. Immerhin ist etwa ein Viertel Tasmaniens in Nationalparks unter Schutz gestellt. Riesige Bereiche sind so dem Zugriff der mächtigen Forstindustrie entzogen - und das ist auch gut so. Vor allem im Südwesten gibt es riesige Bereiche, die noch nie von Menschen betreten wurden. Durch die Nationalparks führen nur wenige Straßen und so bleiben meine Eindrücke überwiegend auf diese Touren und die Übernachtungen auf den Campingplätzen an den Visitor Centers der Nationalparkverwaltung, meistens am Rande der Parks gelegen, beschränkt. Tiefer in die Natur gelangt man nur auf z. T. sehr langen Wanderungen. Allerdings sind die Eindrücke auch so schon beeindruckend. Flora und Fauna sind zum Greifen nah - und das nicht nur im übertragenen Sinne.
Als ich nach einer langen und schweren Bergtour von Queenstown kommend den Campingplatz am Lake St. Clair erreichte, war es schon spät abends. Im Visitor Center sah ich dann, dass hier im See häufig die einmalig seltsamen Schnabeltiere - Platypus - gesehen werden. Daher baue ich mein Zelt schnell auf und dann gehe ich in der Abenddämmerung an den See. Leider ohne Erfolg. Auch später entzieht sich dieser Sonderling hartnäckig und erfolgreich meiner Kamera. So bleibt mir nur noch eine heiße Dusche zu nehmen und endlich in der Campküche etwas zu essen. Als ich dann recht spät im Dunkeln zu meinem Zelt unter den Bäumen zurückkomme, sehe ich dort etwa Schwarzes liegen. Mein erster Gedanke ist, dass ich eine Socke vergessen habe und greife danach. Aber statt eines übel riechenden Bekleidungsstücks habe ich eine buschiges, weiches Etwas in der Hand. Verschreckt lasse ich los. Aber offenkundig bin ich der einzige, der einen Schreck bekommen hat. Denn das andere Ende des Fellteils bleibt völlig unbeeindruckt in der Apsis. Auch heftiges Klopfen auf das Zelt hilft nicht. Als ich den Reißverschluss aufmache, sitzt da vor meiner Packtache mit den Lebensmitteln ein Opossum und versucht (fast) erfolgreich, durch den geschlossenen Rollverschluss an eine Tüte mit einer Nussmischung zu gelangen. Erst das Blitzlicht meiner Kamera veranlasst den frechen Räuber zum geordneten und keinesfalls übereilten Rückzug. So komme ich denn zu meiner ersten Begegnung mit einem lebenden Exemplar dieser possierlichen nachtaktiven Tiere, die ich sonst immer nur überfahren am Straßenrand sehe.

Schlechtes Fahndungsfoto nach einem versuchten Mundraub - ein Opossum auf der "Flucht"

Die Ortschaften im Westen hatten ihre Blütezeit von etwa 100 Jahren, als hier die Berge nach Gold und anderen Metallen umgegraben wurden. Seither sind viele seinerzeit boomende Städte sind zu kleinen verschlafenen Dörfern geschrumpft, die die Nostalgie die Goldgräberstimmung pflegen. Einzig Queenstown - auf keinen Fall zu verwechseln mit der gleichnamigen Touristenmetropole auf der Südinsel Neuseelands - ist nach wie vor eine aktive Bergwerksstadt. Und die Folgen dieser Aktivitäten sind in einer großräumig zerstörten Umwelt deutlich erkennbar. Die Berge sind abgetragen und unterhöhlt. In der Blütezeit, als hier noch 40 Minengesellschaften tätig waren, wurden wöchentlich 2000 t Holz der umliegenden Wälder in den Hochöfen verheizt. Sauerer Regen, Waldbrände und Erosion verhinderten bis heute, dass auf den Bergen um die Stadt neuer Wald gewachsen ist. Auch die schmucke Dampfeisenbahn von Strahan nach Queenstown ist kein Grund, sich hier länger als irgendwie nötig aufzuhalten!

Nostalgische Dampfeisenbahn zwischen Strahan und Queenstown

Eine zerstörte Umwelt ist der Preis für die Milliardengewinne, die hier aus den Bergen geholt wurden

Westtasmanien hat aber nicht nur Wälder und Berge, sondern auch Strände zu bieten. Die sind aber kein Magnet für die Massen, denn hier rollen die Wellen der roaring fourties ungebremst von Südamerika an. Bei Strahan hat man so einen 40 km langen, menschenleeren Strand für sich ganz allein und wenn man Glück hat und die Brandung nicht allzu stark ist, könnte man sogar baden. Hinter diesem Strand hat sich ein Streifen von bis zu 30 m hohen Wanderdünen gebildet, der weit ins Land hineinreicht, die Henty Dunes, - ein Traum von Einsamkeit und Abgeschiedenheit mit immer neuen Fotomotiven...

Feinster, schier endloser Sandstrand im Westen bei Strahan

Die Henty Dunes fressen sich langsam immer weiter in den Wald hinhein. Der Ozean ist mehr als einen Kilometer weit entfernt.

Die letzten beiden Nächte habe ich auf einem Campingplatz im Mount Field Nationalpark verbracht. Endlich nach 1700 km mal einen Ruhetag einlegen. Platznachbarn mit einem Wohnmobil meinten, ich müsste mir unbedingt den Gordon Dam am Ende der ca. 90 km langen Sackgasse ansehen, eine technische Meisterleistung. Da die Strecke aber sehr schwer ist und ich keine Lust hatte, zwei Tage wegen eines Staudamms in einer Sackgasse zu fahren, hatte ich diesen eigentlich für mich schon abgehakt, als Brian am Morgen meinten, ich dürfte diesen Damm nicht verpassen und bot an, mir mit noch einmal dort hinzufahren, obwohl er erst am Vortag dort gewesen war. Gern nahm ich das freundliche Angebot an und bei Regen und starkem Wind bekam ich den Staudamm, die beeindruckende Schlucht und die schwere Strecke einmal aus anderer Perspektive doch noch zu sehen.
Leider hatte ich auch hier kein Glück mit dem Platypus. Dafür waren im angrenzenden Wald 80 m hohe und 400 Jahre alte Eukalyptusbäume zu bestaunen - so können diese Bäume also aussehen, wenn man sie nicht nach 20 Jahren zerhäckselt! Es sind die höchsten Hartholzbäume auf der Erde.
Auch auf diesem Campingplatz wimmelte es von Tieren. Hier waren es vor allem die kleinen Kängurus, etwas größer als unsere Feldhasen, die den Platz bevölkerten. Ich kann es nicht lassen, auch von diesen noch einmal ein Foto zu zeigen.
Von diesem Platz bin ich dann 80 leichte Kilometer nach Hobart, der Hauptstadt Tasmaniens gefahren und damit endgültig im Osten der Insel angekommen - nicht ganz so nass, nicht ganz so bergig und dichter besiedelt. Fast hätte ich ja geglaubt, die Menschen standen meinetwegen an der Strasse, aber kaum war ich im Zentrum angekommen, knatterte ein riesiger Motorradkorso durch die Stadt - MOGO in Hobart, nur die Typen um einiges schräger als bei uns - schwere Harleys mit Glimmergirlanden und Teddybären geschmückt und einige Fahrer im Weihnachtsmannkostüm. Naja, wem es denn gefällt -  so aufgemachte Radfahrer habe ich noch nicht getroffen...

Tall Tree Walk im Mount Field National Park - da kommt man  sich ziemlich klein vor!

Und hier noch einmal ganz klein, dafür aber gleich im Doppelpack

Es ist schon wieder eine ganze Weile her, seit ich mich das letzte Mal gemeldet habe und dazwischen liegt viel Asphalt, Schotter, Staub und Sonne. Das letzte Kapitel hatte ich kurz nach meiner Ankunft in Hobart, der Hauptstadt Tasmaniens geschrieben. Schuldig geblieben bin ich dabei fotografische Belege dieser Stadt, die ich als sehr angenehm, gepflegt und lebenswert empfunden habe. Nur ein kleines Problem: Der in der Karte und im Reiseführer verzeichnete Campingplatz war seit Jahren geschlossen, sodass ich am späten Abend die Stadt wieder verlassen muss und 10 km flussaufwärts in der Dunkelheit einen Platz direkt am River Derwent finde. Dort treffe ich dann auf Christine und Martin, die Ausrüstungsprofis aus der Schweiz und mit einer ganzen Menge nützlicher Tipps (und neuen Begehrlichkeiten für die eigene Ausstattung) im Gepäck verlasse ich die Gegend um Hobart dann am späten Vormittag in Richtung Port Arthur auf der Tasman Peninsula.

Der Amtssitz des tasmanischen Parlaments direkt am Hafen gelegen

Very British: Battery Point - eine bevorzugte Wohngegend auf einem Hügel mit Blick auf den Hafen und den River Derwent

Salamanca - Markplatz und quirrliger Treffpunkt - modernes Stadtleben in altem Gemäuer

...und im Hafen liegen ganz bescheide Boote...

Nachdem ich den Weg aus der Stadt und über den River Derwent (auf einem "Radweg", der kaum breiter als mein Fahrrad mit Gepäck ist) gefunden habe, verlasse ich den Highway und kurve über einsame Nebenstraßen zur Forestier und danach zur Tesman Peninsula. Port Arthur ist ein Muss, wenn man in Tasmanien unterwegs ist. Die beiden hintereinander liegenden Halbinseln sind durch sehr schmale Landengen mit dem Rest der Insel verbunden und damit im 19. Jahrhundert - auch wegen des kurzen Weges nach Hobart - ein idealer Standort für einen riesigen Gefängniskomplex für Schwerverbrecher und Mehrfachtäter. Wie günstig die Lage für diesen Zweck war, beweist die Zahl von lediglich zwei erfolgreichen Fluchten in den Jahrzehnten des Bestehens der Einrichtung. Heute sind Ruinen der Häftlingsgebäude erhalten, die den Schrecken dieses Straf- und Arbeitslagers nur erahnen lassen. Gut erhalten sind hingegen die Wohngebäude des Leitungspersonals. Da das Ganze heute in einem herrlich angelegten Park am einem malerischen Naturhafen zu besichtigen ist, vermittelt Port Arthur eher den Eindruck einer Kureinrichtung - Bilder, Texte und die Erläuterungen der Guides zeichnen da ein ganz anderes Bild.

Nur ein Teil der riesigen Anlage Port Arthurs - im Vordergrund die Ruinen eine der Häftlingsunterkünfte

Eine Aussicht, auf die wohl jeder Bewohner gern verzichtet hätte...

Auch vor Gotteshäusern macht der Verfall keinen Halt. Harte Arbeit, schulische Erziehung und der christliche Glaube galten als Erfolgsrezept der Haftanstalt.

Er und 18 seiner freundlichen Artgenossen sicherten die weniger als 100 m breite Landbrücke zur Forestier Peninsula und trugen damit entscheidend zum Erfolg der Einrichtung bei - an diesen scharfen Bluthunden gab es einfach kein Vorbeikommen. Sie waren sogar auf Pontons im Wasser präsent.

Die beiden Engstellen, die früher Port Arthur zu einem der (ausbruch-)sichersten Gefängnisse machten, bieten heute einen ganz anderen Vorteil: Tasmanien - bei dem Namen dieser Insel gibt es fast nur eine Assoziation: der Tasmanische Teufel! (Den Tasmanischen Tiger haben die Farmer hier Anfang des letzten Jahrhunderts mit Erfolg ausgerottet!) Der Tasman Devil ist heute auch bedroht, allerdings nicht durch den Menschen, sondern durch einen aggressiven und hoch ansteckenden, in jedem Fall aber tödlichen Gesichtskrebs, der bereits weite Teile der Insel erfasst und die Zahl der frei lebenden Tiere stark dezimiert hat. Im Osten der Insel sind nur diese beiden Halbinseln noch frei von der Krankheit, und so versucht man heute die natürlichen Barrieren zu nutzen (die Enge zur Forestier Peninsula ist zudem durch einen Kanal unterbrochen), um den Bestand zu retten und evtl. resistente Tiere zu züchten. Da die Chance, eine Devil nachts in freier Wildbahn zu sehen, äußerst gering ist, habe ich sie mir in einem kleinen Tierpark auf der Tasman Peninsula angesehen. Mein Fazit: Auch wenn sie hier das Wappentier für Alles verwenden - ihr Aussehen macht sie nicht unbedingt zu Sympathieträgern! Aber seht selbst...

Der Tasman Devil - noch ganz friedlich, aber wehe es gibt etwas zu fressen!

Auch Teufel müssen mal schlafen

Es gibt tatsächlich einen Tag, seit ich hier in Down Under unterwegs bin, an dem ich mein Fahrrad nicht bewegt habe! Von Port Arthur kommend habe ich mich an der mit wunderschönen Sandstränden gespickten Ostküste langsam immer weiter Richtung Norden entlang gehangelt. In Triabunna schließe ich mein Fahrrad ab und rühre es einen lang Tag nicht an! Stattdessen nehme eine kleine Personenfähre nach Maria Island, ein weiterer der zahlreichen Nationalparks, um dort zu wandern. Hauptsächlich bin ich dort wegen der Fossil und der Painted Cliffs.

Die Fossil Cliffs auf Maria Island mit mächtigen Schichten versteinerter Meersbewohner.

Ein kurzer aber spektakulärer Küstenabschnitt auf Maria Island: die Painted Cliffs

Und noch einmal eine Begegung mit der einzigartig-andersartigen Tierwelt dieses Kontinents: Einer der wenigen lebenden Wombats (auch die sind vorwiegend nachtaktiv), die mir über den Weg gelaufen sind. Mit bis zu 35 kg Gewicht sehen sie irgendwie aus wie mutierte Meerschweinchen!

Hatte ich schon erwähnt, dass es hier ganz nette Strände gibt? Hier einer bei Bicheno.

Und noch ein Muss gibt es an der Ostküste: den Freycinet National Park. Auch hier ist eine komplette Halbinsel unter Schutz gestellt und bietet insbesondere Wanderern vielfältige Möglichkeiten. Der Hauptgrund für die zahlreichen Besucher dieses Nationalparks ist aber zweifellos die Wineglass Bay - eine Bilderbuchansicht eines weissen Sandstrandes mit türkisfarbenem Wasser, die sich aber nur dem erschliesst, der sein Fahrzeug verlässt und in die Berge geht. Aber auch die andere Seite der Halbinsel lässt sich unbedingt sehen, auch wenn der Hazard Beach nicht ganz so prominent ist wie sein Gegenüber.

Das Muster für einen perfekten Strand, dass sich am besten aus der Vogelperspektive offenbart.

Auf der anderen Seite der Freycinet Peninsula eröffnen sich am Hazards Beach Walk immer wieder neue Ausblicke auf versteckte Sandstrände oder von rosa-orangefarbenem Granit eingefasst Buchten

Zu guterletzt fahre ich dann noch in den Mount William Nationl Park im Nordosten Tasmaniens und von dort mit kräftigem Gegenwind an der Nordküste durch flaches Farmland zurück in Richtung Westen. Ein paar Tage Zeit habe ich noch und so entschließe ich mich noch zu einem Abstecher in die Cradle Mountains. Ein Kraftakt! Von Launceston versuche ich den Nationalpark an einem Tag zu erreichen - 140 km und es geht auf 900 m hinauf. Anfangs geht's auf recht ebener Strecke und freundlichem Wind 80 km gut voran. Aber dann kommen die ersten Berge.
Die Radfahrerkarte (ich erwähnte schon einmal: "brutally hilly...") weist ein Höhenprofil für die Strecke aus, das zeigt, dass es schwer werden wird. Aber dass dort ein Berg fehlt, der mich mit durchgehend 10% Steigung von 170 auf 750m bringt, ist nicht fair. Dass diese Höhenprofile ihre Tücken haben, wußte ich vorher, aber hier muss ich nach 120km und 1900 schweren Höhenmetern abbrechen und schlage mein Zelt im Busch auf. Auch am nächsten Tag merke ich die Anstrengung noch reichlich, auch wenn die restliche Strecke zum Parkeingang relativ leicht zu fahren ist (es fehlten ja nur noch 500 Höhenmeter). Aber Lust auf eine Wanderung habe ich nicht mehr und so investiere ist $ 15 und steige in einen Kleinbus und mache eine zweistündige geführte Tour mit. Ein See, einige Berge im Hintergrund, ein bisschen Regenwald, das "Chalet" eines Österreichers, der sich hier von knapp 100 Jahren angesiedelt und den Grundstein für den NP gelegt hat - ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich die Strapazen gelohnt haben. Aber ich hätte es ja einfacher haben können, bin ich doch am Anfang meiner Tour diesem Park schon einmal recht nahe gekommen. Vor drei Wochen wäre es ein Umweg von 100 km gewesen und auf 600m war ich da auch schon. So nutze ich den angebrochenen Tag und rolle den Berg runter in Richtung Devonport, wo ich morgen Abend mit der Spirit of Tasmania wieder nach Melbourne ablegen werde. 15 km vor dem Etappenziel fahre ich noch ein Stück mit einer Rennradfahrerin zusammen, die auf einer abendlichen Trainingsrunde ist und mich spontan einlädt, in ihrem Haus zu übernachten. Gern nehme ich diese Einladung an. In der Garage wird klar: hier bin ich richtig! Annett und ihr Mann haben dort nicht weniger als neun (!) Kajaks und fünf Fahrräder gelagert und so verbringe ich den letzten Abend auf Tasmanien mit den beiden mit Fachsimpeln übers Rad fahren, Paddeln, Reisen...
Und jetzt sitze ich hier in einem Internet-Cafe in Devonport, 200m von der Fähre entfernt und schließe meinen Reisebericht und die Reise damit ab (okay, drei Tage wird es noch dauern, bis ich wieder in Hamburg lande). Rund 2800 Kilometer und 35.000 Höhenmeter habe ich in den Beinen, das Wetter war mir überwiegend wohl gesonnen, auch wenn es heute, wie bei schon bei meiner Ankunft, wieder regnet. Die Menschen immer freundlich, die Landschaft schön, wenn auch nicht immer spektakulär und das Reisen hier sehr leicht und angenehm. Das Fahrrad hat mich dreimal im Stich gelassen: Ein Plattfuss, das Rücklicht ist ausgefallen und ließ sich auch nicht reanimieren und - fatal - die vordere hydraulische Bremse hatte ein Leck und hat damit ihren Dienst in Sekunden quittiert. Meine Skepsis! Da ich keine Spezialwerkzeug dabei habe und auf dem platten Land auch keine Werkstatt in der Lage ist, dieses System zu reparieren, blieb nur die Alternative einer Investition von $50 in eine neue V-Break. Alles halb so wild und nichts, was die Tour wirklich beeinträchtigt hat. Und auch körperlich ist alles gut, auch wenn die Beine momentan ein bisschen schwer sind.

Also - bis zum nächsten Mal! Oder: See ya!

Einer geht noch: das Eddystone Light im Mt. William NP